Pauli-Affäre Die schöne Landrätin und ein Gespräch unter Männern

Was ist dran an den Spitzel-Vorwürfen gegen den Stoiber-Intimus Michael Höhenberger? Die Staatskanzlei dementiert, setzt auf Vorwärtsverteidigung - doch die CSU-Landrätin Gabriele Pauli hält an ihrem Vorwurf fest: Sie wurde bespitzelt.

München - Es ist Tag drei im Kampf der Gabriele Pauli gegen die bayerische Staatskanzlei, und er beginnt mit einem Blumengruß. "Da hat mir einer ein Foto von einem Strauß Rosen geschickt", sagt sie vergnügt. Jaja, "von unten" gebe es eine Menge Glückwünsche für sie, "von oben" dagegen eine Menge Ärger. Sagt die Fürther Landrätin, Stoiber-Gegnerin und CSU-Rebellin.

Am Montag hat es angefangen, im CSU-Vorstand. Um kurz nach elf Uhr hebt Gabriele Pauli dort die Hand. Sie wolle "etwas Persönliches sagen".

Pauli sitzt ganz vorn, ziemlich nah an Parteichef Edmund Stoiber. Sie spricht von Spitzelei. Davon, dass ein enger Mitarbeiter Stoibers einen ihrer politischen Bekannten in Mittelfranken in einem einstündigen Telefonat nach ihren "Männerbekanntschaften" und möglichen "Alkoholproblemen" ausgehorcht habe. Sie sage das hier, weil Stoiber ihr kein persönliches Gespräch eingeräumt habe. Darauf der CSU-Chef: "Wem ich Termine gebe, bestimme ich." Die Situation eskaliert. Unter donnerndem Applaus wird Pauli vom bayerischen Wirtschaftsminister Erwin Huber abgewatscht.

Doch wo andere die Sitzung fluchtartig verlassen hätten, bleibt Gabriele Pauli noch ein bisschen sitzen. Erst dann geht sie. Die Frau ist selbstbewusst.

Das hat mit einigen Zahlen zu tun: Seit 16 Jahren ist sie CSU-Landrätin in einem einst roten Kreis, mit 32 war sie Deutschlands jüngste Landrätin. Zuletzt wurde sie 2002 mit rund 65 Prozent wiedergewählt. Seit 1989 sitzt sie im CSU-Vorstand.

Fahndung nach Stoibers Büchsenspanner

Am Montag setzt sich Gabriele Pauli direkt nach der Vorstandssitzung an den Computer, schreibt eine Mail an den "sehr geehrten Herrn Ministerpräsidenten", den "lieben Herrn Stoiber" - und bittet um 15 Minuten Gespräch.

Doch die Zeit für eine gütliche Einigung ist vorbei.

Am Dienstag zündet die von der Franken-CSU mit dem Spitznamen "Jeanne D'Arc" ausgestattete Pauli die nächste Eskalationsstufe. Neben ihr seien weitere Kritiker des Ministerpräsidenten unter Druck gesetzt worden, sagt sie. Sie habe "verlässliche Informationen".

Sie spricht unter anderem von Sebastian Freiherr von Rotenhan, CSU-Landtagsabgeordneter und entschiedener Stoiber-Kritiker. Er berichtet SPIEGEL ONLINE von einem Brief, den er Gabriele Pauli vor "vier bis sechs Wochen" geschrieben habe. Darin die Warnung: Die schöne Landrätin müsse mit Aktionen aus dem Stoiber-Lager rechnen, die ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen sollen. "Ich kann da auf eigene Erfahrungen zurückgreifen", sagt von Rotenhan, "ich kenne das Geschäft." Es ärgere ihn "wahnsinnig, dass man versucht, der Gabriele Pauli niedere Beweggründe zu unterstellen". Er selbst sei aber nicht bespitzelt worden, "so etwas habe ich noch nicht erlebt". Er habe sich auch nicht vorstellen können, "dass das jetzt so passiert".

Pauli: "Ich habe erreicht, was ich wollte"

Der Freiherr spricht von "Büchsenspannern" in Stoibers Umgebung, "die auch schon mal übers Ziel hinaus schießen". Es habe sich in der Staatskanzlei "so eine Art Ökosystem" entwickelt, in dem man mit zuvorkommenden Maßnahmen um die Gunst Stoibers buhle. Dass Stoiber selbst die Spitzelaktion in Auftrag gegeben hat, das glaubt sein Kritiker nicht: "Das traue ich ihm nicht zu, Stoiber macht sich die Finger nicht schmutzig."

Gabriele Pauli hingegen glaubt an mehr: "Es wird doch wohl nichts gegen den Willen des Ministerpräsidenten unternommen werden", sagt sie zu SPIEGEL ONLINE. Trotzdem, sie würde "jetzt gern mit ihm reden" - mit Stoiber. Durch ihre Aktion im Vorstand habe sie sicherstellen wollen, dass die Spitzeleien aufhören: "Ich habe erreicht, was ich wollte, nämlich meine Kritik weiter offen zu äußern." Dagegen könne die Staatskanzlei nichts tun: "Was soll mir passieren? Was ich gesagt habe, stimmt."

Jetzt habe natürlich alles "eine andere Dimension durch die Medien", sagt Pauli. Die Staatskanzlei und die CSU-Führung vermuten eine "professionelle Medienkampagne" der Fürther Landrätin. Mit ihrem Auftritt auf dem Augsburger CSU-Parteitag im Oktober habe sie ihr "politisches Waffenarsenal erschöpft", ist dort zu hören. Pauli hatte damals den Rückzug Stoibers vor der Landtagswahl 2008 gefordert. Das sei das "Ende der Fahnenstange", heißt es in der CSU. Danach könne nur noch "schmutzige Wäsche" kommen.

Meisterstück in Polit-Prosa

Am Dienstagabend endlich kristallisiert sich heraus: Der "Büchsenspanner" ist Michael Höhenberger, Stoibers Büroleiter, Wegbegleiter und -bereiter seit Jahrzehnten. In der Staatskanzlei glühen jetzt die Telefondrähte, Krisenmanagement ist angesagt. Denn Höhenberger sitzt im Zentrum der Macht. Konnte man die Kritik der Landrätin aus dem fernen Fürth bisher an sich abperlen lassen (Stoiber am Montag im Vorstand: "So wichtig sind Sie nicht"), geht es jetzt in die aktive Vorwärtsverteidigung.

Um 12.57 Uhr am Mittwoch präsentiert Staatskanzleichef Eberhard Sinner (CSU) eine Erklärung von Höhenberger, mit der er die Vorwürfe entkräften will. Es ist ein Meisterstück in Polit-Prosa: Der Stoiber-Intimus kommt namentlich gar nicht explizit vor. Paulis geheimen Gesprächspartner aus Mittelfranken hat man ausfindig gemacht und sein Dementi in die Erklärung mit aufgenommen: "Ich habe heute sowohl eine Stellungnahme des in der Presse genannten Mitarbeiters der Staatskanzlei eingeholt" - also Höhenberger - "als auch mit dessen Gesprächspartner Kontakt aufgenommen, auf den Frau Pauli hingewiesen hat", teilt Eberhard Sinner mit. Beide hätten "den Vorwurf eines Ausspähens oder Bespitzelns zurückgewiesen". Sinner: "An den Unterstellungen von Frau Pauli ist nichts dran."

Dann folgen 22 Zeilen Michael Höhenberger: Der Stoiber-Vertraute gibt zu, "ein Gespräch mit einem mir aus Mittelfranken bekannten langjährigen politischen Freund geführt" zu haben. Es sei um die "Vorwürfe von Frau Pauli gegen den Ministerpräsidenten" gegangen. Der "Mitarbeiter der Staatskanzlei" alias Höhenberger: "Hierzu habe ich meinen Gesprächspartner nach seiner Meinung und nach möglichen Erklärungen des - mir unerklärlichen - Verhaltens von Frau Pauli gefragt." Dies sei "der einzige Zweck meines Telefonats" gewesen. Von "Ausspähen oder Bespitzeln" könne keine Rede sein.

Ein Gespräch unter Männern

Stoiber habe er "nicht informiert, und ich habe mit ihm darüber auch nicht gesprochen", sagt Höhenberger. Das "politische Verhalten von Frau Pauli" sei natürlich "Gegenstand vieler Gespräche, gerade unter CSU-Mitgliedern". Dies gelte auch für den Büroleiter des Ministerpräsidenten.

Ein Gespräch unter Männern also. Aber: Wenn es so harmlos war, warum trat der Gesprächspartner danach mit der Landrätin in Kontakt? Bei der Person handelt es sich nach Informationen von SPIEGEL ONLINE um den Fürther Wirtschaftsreferenten Horst Müller (CSU). Er war jedoch für ein Statement nicht zu erreichen. Gabriele Pauli sagt, sie habe ihn zufällig auf einer Weihnachtsfeier getroffen. "Da hat er mir das mitgeteilt." Sie habe sich auch versichert, dass er heute noch dazu stehe - trotz der Erklärung mit der Staatskanzlei.

Wie das geht? Pauli: "Es sind semantische Spitzfindigkeiten." Tatsächlich lautet der entscheidende Satz in Sinners Erklärung: Der geheime Gesprächspartner habe "mir gegenüber erklärt, dass er das Gespräch mit seinem langjährigen Parteifreund" - also wieder Höhenberger - "zu den Aktivitäten von Frau Pauli und zu ihrer Person nicht als Bespitzelung aufgefasst habe". Und Auffassung ist immer subjektiv.

So bleibt die Landrätin dabei: "Für mich ist der Bespitzelungs-Verdacht in keinster Weise ausgeräumt." Von der Staatskanzlei werde "bezeichnenderweise nicht dementiert, dass private Informationen recherchiert worden sind". Es werde lediglich gesagt, "dass man den Anruf nicht als Bespitzelung aufgefasst habe". Pauli: "Nach wie vor kann und werde ich also behaupten, dass über mein Privatleben von Herrn Höhenberger Informationen eingeholt worden sind, mit dem Ziel, mir etwas 'anzuhängen'."

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