Rechtsextremer Protest Teilnehmerzahl radikaler Pegida-Ableger hat sich vervierfacht

Das fremdenfeindliche Bündnis Pegida will heute international marschieren. Neben Dresden sollen auch Warschau, Prag oder Birmingham Schauplätze der Umtriebe sein. Vor allem die radikalen Ableger von Pegida und Co. bekommen immer mehr Zulauf.
Bärgida-Demo in Berlin (Januar 2015): "Überwiegend rechtsextremistische Einflussnahme"

Bärgida-Demo in Berlin (Januar 2015): "Überwiegend rechtsextremistische Einflussnahme"

Foto: Carsten Koall/ Getty Images

Sie locken mit einem sanft klingenden Motto wie "Für Deutschland ein Licht", mit einer Forderung wie "Asylanten in Anklam? Nein danke!" oder bedrohlicher Lyrik à la "Herbstwind fegt die bunten Blätter weg": Fast jeden Tag findet derzeit in Deutschland ein Aufmarsch statt, der von Rechtsextremisten organisiert ist. Nahezu ausschließlich geht es um Flüchtlinge und die angebliche "Überfremdung".

Die Zahl dieser rechtsextremen Veranstaltungen ist stark angestiegen:

  • So fanden im vierten Quartal des vergangenen Jahres bundesweit mehr als doppelt so viele Aufmärsche und Kundgebungen statt wie im Quartal zuvor (95 auf 208).

  • Die Zahl der Teilnehmer hat sich innerhalb dieser wenigen Monate sogar mehr als verdreifacht (10.600 auf 35.900).

Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervor.

Das Bundesinnenministerium hatte für die Statistik alle Veranstaltungen gezählt, die von rechtsextremen Parteien und Gruppierungen wie der NPD, ihrer Jugendorganisation JN, der Partei "Die Rechte" oder dem "Dritten Weg" angemeldet worden waren. Auch die Aufmärsche von Kameradschaften flossen mit ein.

Noch gravierender ist der Trend bei den Veranstaltungen von Pegida-Ablegern, bei denen nach Auffassung der Sicherheitsbehörden eine "überwiegend rechtsextremistische Einflussnahme beziehungsweise Steuerung erkennbar war". Gemeint sind etwa die radikalen "Gida"-Gruppierungen in Berlin (Bärgida), Thüringen (Thügida) oder Düsseldorf (Dügida); Pegida in Dresden gehört nicht dazu.

  • Die Zahl dieser Aufmärsche hat sich vom dritten auf das vierte Quartal 2015 nahezu verdreifacht (26 auf 70), die Besucherzahl sogar fast vervierfacht (4100 auf 15.500).

  • Insgesamt fanden im vergangenen Jahr 590 Aufmärsche von Nazi-Gruppen oder rechtsextremen Pegida-Ablegern statt, zu denen gut 100.000 Besucher kamen.

"Die Zahl der rechten Aufmärsche im Jahr 2015 ist erschreckend - im Verhältnis zu 2014 hat sich die Zahl der Teilnehmer verfünffacht", sagt Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag. "Wenn jetzt nicht entschieden entgegengesteuert wird, stehen wir schon mit beiden Beinen knietief im braunen Sumpf."

Tillich ruft nach dem Staatsanwalt

Die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung arbeitet derweil an einer europäischen Allianz. Am Samstag soll es nicht nur in Dresden eine große Anti-Asyl-Demo geben, sondern gleichzeitig Veranstaltungen in 14 weiteren Ländern. Zu den Demos "Gegen Masseneinwanderung und Islamisierung" werden Tausende Anhänger des Bündnisses erwartet.

Rechte Gewalt und die Mobilisierung sowie Ausweitung der rechten Szene seien viel zu lange verharmlost worden, sagt Jelpke. "Es braucht dringend ein Sofortprogramm, um dem rassistischen Flächenbrand etwas entgegenzusetzen."

Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) spricht sich mittlerweile für ein konsequentes juristisches Vorgehen gegen die islamfeindliche Pegida-Bewegung aus. Die Redner bei Pegida nähmen keine Rücksicht mehr und riefen offen zur Gewalt gegen Ausländer oder Politiker auf, sagte Tillich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Da sei jetzt die Staatsanwaltschaft gefragt. "Wir müssen Pegida und ihren Anhängern aufzeigen, dass Gesetzesüberschreitungen strafrechtliche Folgen haben", sagte Tillich.

Der Politiker zeigte sich jedoch skeptisch gegenüber Forderungen, die Pegida-Bewegung zu verbieten: Für ein Verbot gebe es in der Verfassung hohe Hürden.

Kipping sieht Mitschuld bei der CDU

Die aus Dresden stammende Linken-Chefin Katja Kipping sieht bei der CDU eine Mitschuld für das Erstarken der fremdenfeindlichen Bewegung. Die sächsische Landes-CDU sei "mitverantwortlich dafür, dass Pegida in Sachsen wachsen und gedeihen konnte", sagte Kipping der Nachrichtenagentur AFP.

Statt einen klaren Kurs gegen fremdenfeindliche Umtriebe zu verfolgen, habe die sächsische Regierungspartei eher den Gegnern der Rechten Steine in den Weg gelegt. "Sie hat 25 Jahre antifaschistisches Engagement kriminalisiert und dazu beigetragen, es zu einem regelrechten Schimpfwort zu machen", warf Kipping der Sachsen-CDU vor.

Die Linken-Chefin rief zur Teilnahme an Gegendemonstrationen auf: "Pegida steht für die Aufkündigung jeglicher Empathie und Mitmenschlichkeit, deswegen ist es wichtig, dagegen Flagge zu zeigen."

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