Weltpresse über deutsche Islamfeinde "Die Rhetorik von Pegida ist armselig"

Pegida-Demonstration in Dresden: "Diffus, zum Teil grotesk"
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesBerlin - Das Phänomen Pegida beschäftigt auch ausländische Zeitungen und Internetmedien. Sie ringen um Erklärungen für das Erstarken der Bewegung und berichten über politische Reaktionen. Nahezu alle großen europäischen Zeitungen machten am Montag oder Dienstag die Demonstration in Dresden und die bundesweiten Gegendemonstrationen zum Thema. SPIEGEL ONLINE dokumentiert die wichtigsten Stücke - darunter auch eigens geschriebene Beiträge von Deutschland-Korrespondenten ausländischer Medien.
Der Berlin-Korrespondent der französischen Zeitung "Le Monde", Frédéric Lemaître, schreibt für SPIEGEL ONLINE: "In Frankreich ist das Interesse an Pegida groß. Nach den Wahlerfolgen der Afd bestätigt Pegida, dass eine rechtspopulistische Bewegung in Deutschland im Entstehen ist. Persönlich finde ich diesen Erfolg umso überraschender, als die Rhetorik von Pegida sehr armselig ist. Die Inszenierung der Demos ist auch sehr minimalistisch. Es hat etwa mit dem französischen Front National nichts zu tun. Die Slogans sind vorwiegend 'establishmentfeindlich'. Schließlich finde ich bemerkenswert, dass es keine Gewalt gibt, sogar wenn Demonstranten und Gegendemonstranten nur ein paar Meter voneinander entfernt stehen."
Auf ihrer Onlineseite berichtete "Le Monde" über den Teilnehmerrekord bei den Pegida-Demonstrationen - aber auch über die zahlreichen Gegendemonstrationen.

"Le Monde": So berichtet die französische Zeitung auf ihrer Onlineseite über Pegida
Die BBC aus Großbritannien hatte einen Bericht über die Pegida-Proteste vom Vortag zeitweise sogar als Top-Story auf ihrer Homepage. Unter der Überschrift "Rival Rallies over Islam" berichtete der Sender auch über Gegenproteste.

BBC: So sehen die britischen Journalisten das Phänomen aus Deutschland
Kate Connolly, Berlin-Korrespondentin des britischen "Guardian", gibt SPIEGEL ONLINE Auskunft über ihre Erfahrungen als Reporterin bei Pegida - und die große Resonanz auch unter britischen Lesern: "Wenn wir online einen Bericht über die Pegida-Demos bringen, wird das sehr viel gelesen und kommentiert - oft sehr wütend und polemisch." Entweder werde ihrer Zeitung vorgeworfen, die Bewegung übertrieben darzustellen, oder es heiße, Aussagen würden verfälscht, weil bewusst nur ganz bestimmte Zitate von Teilnehmern ausgewählt und die Demonstranten dadurch in ein falsches Licht gerückt würden. "Die Vorstellung, dass wir nur über das berichtet haben, was wir als Journalisten gehört und gesehen haben, ist für manche anscheinend ganz fremd", so Connolly. Die Aussagen der Demonstranten, mit denen sie gesprochen habe, seien "diffus und zum Teil grotesk" gewesen. "Es ist klar, wer anonym bleibt, kann alles sagen, was er denkt. Mutig ist das keinesfalls", so Connolly. Es seien auch bürgerliche Leute, die es nicht abschrecke, zusammen mit Neonazis zu demonstrieren oder Parolen aus der Nazi-Zeit zu schreien. Connolly gibt zu bedenken, dass Berichte die Pegida-Demonstranten in Dresden stärker machen könnten, als sie tatsächlich seien. "Vielleicht sollte man sich doch überlegen, nicht darüber zu berichten, denn die Demonstranten leben von ihrer Medienpräsenz."
Die Tageszeitung "Politiken" aus Dänemark schreibt mehrere Stücke über die Pegida-Bewegung in Deutschland. In einer Reportage über die Demonstrationen zitiert sie ausführlich ihren Deutschland-Korrespondenten. In einem Leitartikel zu Pegida heißt es: "Wir müssen die extreme Rechte nicht fürchten. Sie soll - wie andere radikale und gewalttätige Gruppen - demontiert und für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Es wird schwieriger, wenn es um die geht, die nicht radikalisiert sind, sondern sich von Protestpropaganda und fremdenfeindlichen Fahnen in die sogenannte Pegida-Bewegung locken lassen. Viele Europäer fühlen sich entfremdet von den Entwicklungen in der Welt. Sie erleben nicht, dass die politischen Prozesse zu ihrer Wirklichkeit passen, und haben vielleicht das Gefühl, dass die Systeme die direkte Ursache für den Verlust ihres Arbeitsplatzes oder schlechtere Arbeitsbedingungen sind. Sie fühlen sich nicht repräsentiert. Das ist ein Problem."

"Politiken": "Viele Europäer fühlen sich entfremdet", schreibt die dänische Zeitung
Lasse Soll Sunde, freier dänischer Korrespondent in Berlin, der unter anderem für den Dänischen Rundfunk arbeitet, hat seine Einschätzung zu Pegida für SPIEGEL ONLINE aufgeschrieben: "Ich habe selbst in Dresden recherchiert und mit Pegida-Teilnehmern gesprochen. Dabei habe ich den Eindruck gehabt, dass das Thema Islam und Ausländer nur eines von vielen ist. Viele haben zum Beispiel Angst vor Altersarmut. Die Politik muss mit den verschiedenen Themen unterschiedlich umgehen. Den Vorurteilen gegen Zuwanderer müssen Fakten entgegengesetzt werden und die Tatsache, dass Deutschland Einwanderung braucht. Erst wenn diese Aufklärung nichts nützt, sollte man die Demonstrationen scharf verurteilen. Dass sich Kanzlerin Merkel in ihrer Neujahrsansprache klar von Pegida abgegrenzt hat, fand ich gut - allerdings glaube ich, man muss zwischen den 'besorgten Bürgern' und den Pegida-Drahtziehern unterscheiden."
Russland hält derzeit einen kurzen Winterschlaf: Das Land feiert das orthodoxe Weihnachtsfest, seit Neujahr sind Staatsferien. Gedruckte Zeitungen erscheinen erst in der kommenden Woche wieder, auch viele Online-Redaktionen sind dünn besetzt, entsprechend spärlich fallen die Berichte über Pegida in russischsprachigen Medien aus.
Ganz anders ist das bei Russia Today , dem von der russischen Regierung finanzierten Auslandssender. "Tensions are high in Germany", hieß es in einer Topmeldung des englischsprachigen Dienstes. Der Sender berichtete ausführlich über die zahlreichen Gegendemonstranten, die in Pegida "eine rassistische Bewegung sehen". Zu Wort kamen sowohl Pegida-Anhänger als auch ihre Gegner. "What is happening right now in Germany is extremely shocking", sagte eine Gegendemonstrantin dem russischen Sender. Dessen Tochterunternehmen, die in Berlin sitzende Video-Agentur Ruptly, sorgte allerdings gleichzeitig dafür, die Pegida-Botschaften zu verbreiten. Wie zuvor schon bei "Hogesa"-Kundgebungen übertrug Ruptly die Pegida-Demo in Dresden live im Internet.
Die amerikanische "New York Times" schreibt, dass die Anti-Islam-Proteste trotz einer nun entstehenden Gegenbewegung für das politische Establishment und die vielen Deutschen, die sich ein offenes Land wünschten, eine ernst zu nehmende Herausforderung sei.

"New York Times": Die US-Zeitung beschäftigt sich ebenfalls mit Pegida
"Wir vermissen unser Land" - so überschreibt "de Volkskrant" aus den Niederlanden online seinen Artikel über Pegida. Es werden Pegida-Demonstranten zitiert, die erklären, bei den Demonstrationen gehe es um ganz Europa. Dass in Sachsen kaum Ausländer lebten, halte die Menschen nicht von den Protesten ab, so "de Volkskrant".

"de Volkskrant": Die Niederländer zitieren mehrere Pegida-Demonstranten
"Dagens Nyheter" aus Schweden hat seine Reportage über die Proteste in Dresden mit der Zeile überschrieben "Warum gerade Dresden? Wir finden keine Antwort". Protagonist der Geschichte ist ein in Dresden lebender Palästinenser, der erklärt, eigentlich habe er sich in der Stadt wohlgefühlt, nun aber wachse die Angst, dass die Fremdenfeindlichkeit Ausmaße wie in den Neunzigerjahren annehme.

"Dagens Nyheter": Die Schweden fragen sich, warum der Protest ausgerechnet in Dresden stattfindet - wo kaum Ausländer leben
Die Korrespondentin der Zeitung "Aftenposten" aus Norwegen beantwortet unter der Überschrift "Das sind die Demonstranten, die Merkel erschrecken" am Montag online die wichtigsten Fragen zu Pegida, zum Beispiel "Wer sind die Demonstranten?", "Wie groß ist Pegidas Rückhalt in der Bevölkerung?" Auf die Frage, warum die Bewegung jetzt auftauche, schreibt die Journalistin von den 200.000 Flüchtlingen, die 2014 nach Deutschland gekommen sind. Aufsehen habe im vergangenen Jahr außerdem die selbst ernannte "Scharia-Polizei" in einer deutschen Stadt erregt.

"Aftenposten": Die Norweger veröffentlichten einen Artikel mit den wichtigsten Fragen und Antworten zu Pegida
Auch der arabische Sender Al Jazeera macht Pegida online zum Thema und schreibt in seinem Bericht, die Bewegung habe ihren Zulauf auch dadurch gesteigert, dass sie sich offiziell vom Rechtsextremismus abgrenze. Al Jazeera zitiert außerdem aus dem Positionspapier von Pegida.

Al Jazeera: Offiziell grenze sich Pegida von Rechtsextremen ab, schreibt der arabische Sender online
Die konservative Zeitung "Lidove noviny" aus Tschechien kritisiert am Dienstag die Reaktion von Kanzlerin Merkel auf die Pegida-Demonstrationen: "Das tatsächliche Ziel der Demonstranten sind nicht Muslime als solche, sondern das gesamte Regierungs- und Medienestablishment der Bundesrepublik. 'Lügenpresse' ist einer der Rufe der Demonstranten. Es ist das Problem einer Gesellschaft, in der die Schere zwischen den Meinungen der Eliten und den Meinungen eines immer größer werdenden Teils der Gesellschaft auseinandergeht. Diese Menschen haben ihre Vorstellungen über den Islam, muslimische Zuwanderer und deren zunehmenden Einfluss auf das Gastland. Ja, die Demonstranten übertreiben demagogisch die Zahlen und die Gefahren. Aber seit wann entscheidet die Bundeskanzlerin - und nicht die Gerichte - darüber, wo die Grenze zwischen Freiheit der Kritik und Hetzerei verläuft?"
"Haaretz" aus Israel titelt online mit den Gegendemonstranten : "Tausende Deutsche demonstrieren bundesweit gegen Anti-Islam-Kundgebungen".

"Haaretz": Die Israelis legen den Schwerpunkt auf die Gegendemonstranten
Selbst im fernen Brasilien machen die Pegida-Aufmärsche Schlagzeilen. Auf der Internetseite des Politikmagazins Veja heißt es: "Demonstration gegen Einwanderung vereint Abertausende in Deutschland." Ebenso wird berichtet, dass den ausländerfeindlichen Demonstranten Zehntausende entgegentreten. Zudem wird im Text auf die Meldung verlinkt, dass im Jahr 2014 mehr als 3000 Flüchtlinge beim Versuch starben, nach Europa zu gelangen.

"Veja": Selbst in Brasilien ist Pegida ein Thema