Volksverhetzung Recht und Extreme

Goebbels-Vergleich, Hitlergruß, Hakenkreuz: Rechte Hetzer provozieren gezielt Eklats. Gesetze stellen extreme Entgleisungen unter Strafe. Doch häufig sind die Entscheidungen der Gerichte eine Gratwanderung. Der Überblick.
Pegida-Demo in Dresden: Was ist erlaubt?

Pegida-Demo in Dresden: Was ist erlaubt?

Foto: Arno Burgi/ dpa

Wieder Lutz Bachmann, wieder Hetze, wieder ein Skandal. Diesmal war es Justizminister Heiko Maas (SPD), den der Pegida-Chef anpöbelte: Am Montagabend bezeichnete ausgerechnet jener Mann, der seit Monaten die Stimmung mit seinen Reden gegen Zuwanderer anheizt, den Minister als "schlimmsten geistigen Brandstifter" seit Joseph Goebbels, Hitlers Propagandaminister.

Maas sagte später, er wolle auf eine Anzeige verzichten. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt trotzdem - wegen des Verdachts der Beleidigung.

Es ist nicht das erste Mal, dass Bachmann wegen seiner Hassparolen Probleme mit der Justiz bekommt. Der mehrfach vorbestrafte Hauptorganisator der islamfeindlichen Bewegung ist wegen Volksverhetzung angeklagt. Er soll, so die Anklage, im vergangenen Jahr auf seiner Facebook-Seite Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber als "Viehzeug" und "Gelumpe" bezeichnet haben.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass in Zusammenhang mit Pegida-Demonstrationen ermittelt wird. Immer wieder werden Politiker beschimpft und Journalisten angriffen. Kürzlich gab es Ärger wegen einer Rede des Autors Akif Pirinçci, auch hier ermittelt die Staatsanwaltschaft.

In diesen Wochen geht es immer wieder um die Frage, wieviel Hass eine demokratische Gesellschaft ertragen muss. Das Grundgesetz sagt, dass man seine Meinung nur frei äußern darf, solange man nach Abwägung der verschiedenen Positionen und Interessen nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt. Aber welche Mittel hat die deutsche Justiz, um rechte Hetzer zu stoppen? Der Überblick.

Was versteht das Gesetz als Beleidigung?

Für Ralf Stegner ist die Sache klar: "Dieser ekelhafte Brandstifter gehört vor den Kadi", twitterte der SPD-Vize nach Bachmanns Nazi-Vergleich. "Der Fall scheint ziemlich eindeutig", sagt auch die Berliner Juristin Nicole Bédé, Mitglied im Deutschen Anwaltsverein. "Hier liegt wohl eine Beleidigung vor."

Grundsätzlich geht es um ehrverletzende Beschimpfungen oder falsche Tatsachenbehauptungen. Doch auch der "Stinkefinger" kann als Beleidigung durchgehen. Opfer sind normalerweise Einzelpersonen - die sich gegen die Beleidigung auch wehren müssen. Weil Minister Maas keine Anzeige stellen will, wird die Staatsanwaltschaft deshalb den Fall wohl nicht weiter verfolgen. Die Praxis zeigt: Politiker müssen in der Regel mehr einstecken als andere Bürger.

Bestraft wird Beleidigung mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder einer Geldstrafe. Bei einer Tätlichkeit kann das Urteil auch höher ausfallen.

Ab wann spricht man von Propaganda?

Geregelt ist auch, welche Symbole, Zeichen und Parolen verboten sind. Laut Strafgesetzbuch fallen darunter die "Propagandamittel" und "Kennzeichen" verfassungswidriger Parteien und Organisationen, deren Inhalte sich "gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung" richten. Nicht erlaubt sind, das zeigt die Rechtsprechung, verschiedene Parolen der Nazis oder auch der Hitlergruß. Auf dem Index steht außerdem das Hakenkreuz, das auch nicht in abgewandelter Form gezeigt oder verbreitet werden darf.

Wer sich nicht daran hält, muss mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Erst kürzlich nahm die Polizei in Karlsruhe zwei Menschen fest, die den Hitlergruß gezeigt haben sollen. Nicht immer ist der Fall eindeutig: Das Amtsgericht Köln verurteilte eine Teilnehmerin der Hogesa-Krawalle vom vergangenen Jahr wegen der gleichen Tat nicht. Man könne nicht ausschließen, dass die junge Frau den Arm nur zur Provokation in die Luft gestreckt habe - ohne sich mit der nationalsozialistischen Ideologie zu identifizieren, hieß es damals. Eine Begründung, die auch unter Fachkollegen für Kopfschütteln sorgte.

Doch es gibt auch andere Ausnahmen: Wer rechte Symbole verwendet, um sich davon zu distanzieren, hat nichts zu befürchten. Niemand muss hinter Gittern, weil er mit einem Aufnäher durch die Gegend läuft, auf dem das Hakenkreuz in der Mülltonne landet.

Was genau ist Volksverhetzung?

Es ist ein schwerer Vorwurf: "Volksverhetzung." Bis zu fünf Jahre Haft kann das bei einer Verurteilung bedeuten. Doch was verbirgt sich dahinter? Genaueres findet sich in Paragraph 130 des Strafgesetzbuches. Wer öffentlich zu Hass oder Gewalt gegen einen Teil der Bevölkerung aufstachelt oder diese "beschimpft, verächtlich macht oder verleumdet", heißt es dort, der mache sich strafbar.

Bei Bachmanns Maas-Äußerung könne wohl nicht von Volksverhetzung die Rede sein, sagt Rechtsanwältin Bédé, da er nicht auf eine ethnische oder religiöse Minderheit abgezielt habe. Wäre Minister Maas zum Beispiel Vertreter einer jüdischen Gruppe gewesen, hätte sein Goebbels-Vergleich eine weitere Dimension erlangt. Anders sieht es bei den Pöbeleien gegen Asylbewerber aus. Häufig müssen die Gerichte abwägen. "Das zu beurteilen ist nie ganz einfach", so Bédé. Es komme immer auf die Situation an. Der Ruf "Ausländer raus!" gelte vor einem Flüchtlingsheim viel eher als Volksverhetzung als an einem Ort, an dem die Adressaten weniger klar erkennbar sind.

Wo gehetzt und Hass geschürt wird, ob auf dem Rednerpult oder im Netz, spielt in Deutschland ansonsten keine Rolle. Es ist außerdem verboten, Nazi-Verbrechen abzustreiten, zu verharmlosen oder zu billigen. Berühmte Holocaustleugner, wie das frühere RAF-Mitglied Horst Mahler, landeten deshalb im Gefängnis.

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