Protest-Demonstrationen "Das ist ein politisches Pulverfass"

Pegida-Ableger in Düsseldorf: "Mischung aus empörten Wutbürgern und Rechtsaußen-Aktivisten"
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesHamburg - Kundgebungen der rechtspopulistischen "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) alarmieren die Regierung. Justizminister Heiko Maas (SPD) fordert eine gemeinsame Gegenwehr der etablierten Parteien. Der Pegida-Aufmarsch in Dresden war bereits der achte in den vergangenen Wochen. Eine ihrer Forderungen: ein schärferes Asylrecht. Wer bei den Protesten mitläuft und wer daraus Profit schlägt, erklärt Alexander Häusler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Düsseldorf.
SPIEGEL ONLINE: Das rechtspopulistische Bündnis der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) zieht in Dresden immer mehr Anhänger an, auch in Westdeutschland wird inzwischen demonstriert. Warum bekommt die Bewegung Zulauf?
Häusler: Man muss unterscheiden zwischen dem Ursprung und dem Bestreben, die Pegida-Demonstrationen als bundesweite Bewegung zu inszenieren. Die Zahl der Teilnehmer in Dresden hat sich erhöht, obwohl es große Gegenbewegungen gab. Aber die Versuche, den Protest auf andere Städte zu übertragen, sind bisher kaum gelungen. Die Teilnehmerzahl in Düsseldorf lag weit unter den Erwartungen. Dort haben sich die üblichen Verdächtigen von Rechtsaußen getroffen.
SPIEGEL ONLINE: In Düsseldorf hatten die Veranstalter mit 2000 Teilnehmern gerechnet, nur etwa 400 kamen. In Dresden hingegen gingen 10.000 auf die Straße. Wer läuft da mit?

Alexander Häusler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Düsseldorf. Im Fachbereich der Sozial- und Kulturwissenschaften beschäftigt er sich hauptsächlich mit den Themen Rechtsextremismus und Neonazismus. Vor allem rechtsextreme Parteien und Organisationen wie Pro NRW oder Pro Deutschland behält er dabei im Blick.
Häusler: In Dresden geht der Rentner auf die Straße, der sich um die sogenannte Islamisierung seiner Heimat Sorgen macht oder der Angst hat, dass Weihnachten in "Winterfest" umbenannt wird. Er bewegt sich dort einhellig neben dem Hooligan und dem Kameradschaftsführer. Das ist eine merkwürdige Mischung aus empörten Wutbürgern und Rechtsaußen-Aktivisten.
SPIEGEL ONLINE: Auch Mitglieder der NPD nehmen an den Demonstrationen teil. Inwiefern profitieren die Rechtsextremen von den antiislamistischen Strömungen?

Pegida-Demo in Dresden: Mehr als 10.000 Teilnehmer
Häusler: Die Proteste drücken ganz unterschiedliche Ängste und Ressentiments aus. Das Thema "Islamisierung" wird bewusst vermengt mit der Frage der steigenden Asylbewerberzahlen oder mit der Frage des Verlusts von nationaler Identität. Die Proteste machen die Unzufriedenheit der Bürger deutlich, die sich abgehängt fühlen. Zwar laufen NPD-Leute dabei mit, sie sind aber nicht organisatorisch beteiligt. Die NPD probiert unter dem Deckmantel von scheinbaren Bürgerinitiativen, Front gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin-Marzahn oder im sächsischen Schneeberg zu machen. Ob die Pegida-Demonstrationen also der NPD nutzen, ist zu bezweifeln.
SPIEGEL ONLINE: Dabei wollen die Bewegungen Pegida und Dügida ("Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes") doch ausdrücklich nicht als rechtsextrem wahrgenommen werden.
Häusler: Ja, das unterscheidet sie von den Hooligans, die unter dem Namen Hogesa noch vor wenigen Wochen in Köln und Hannover auf die Straße gingen. Pegida distanziert sich bewusst von Gewalt und Extremismus, um bürgerliche Schichten nicht vom Mitmachen abzuschrecken. Diese Leute, die sich als "deutsches Volk" verstehen, als Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, sind über die Entwicklungen so frustriert, dass sie glauben, sie müssten rebellieren. Ausgereifte Forderungen oder konkret erreichbare Ziele stellen sie nicht. Sie laufen schweigend mit, sprechen nicht mit der Presse, die einzige Parole lautet "Wir sind das Volk" - ein Slogan, der bewusst an den demokratischen Aufbruch in der DDR erinnert.
SPIEGEL ONLINE: Und wie genau passt die AfD in das Bild? Auch Anhänger der Alternative für Deutschland waren bei den Protesten dabei.
Häusler: Die AfD wird die Geister, die sie in ihrer Gründungsphase gerufen hat, nicht mehr los. Sie hat ein Problem mit Rechtsextremen. Die Hogesa-Proteste wurden teilweise von der AfD-Basis offiziell unterstützt. Im Landesverband Hamburg wurde darüber gestritten. Eine Herausforderung für die AfD, die sich als demokratische Partei präsentiert.
SPIEGEL ONLINE: Wie muss Deutschland reagieren?
Häusler: Wir müssen darüber reden, wie wir in einer multinationalen Gesellschaft miteinander klarkommen. Wir müssen klarmachen, dass diese Demonstrationen ein Einfallstor für die nationale Rechte sind. Den Leuten, die bei Pegida mitmachen, muss klar sein, mit wem sie da in einer Reihe laufen.
SPIEGEL ONLINE: Müsste der Staat die Demonstrationen verbieten?
Häusler: Das Demonstrationsrecht ist unumstritten ein hohes Gut. Aber Versammlungsrechte können auch - wie durch die Hogesa - missbraucht werden, um zu Hetze und Gewalt aufzurufen. Das ist ein politisches Pulverfass. Die Pegida-Demonstrationen haben sich bisher friedlich geäußert und distanzieren sich offiziell von Gewalt und Extremismus. Man kann ihnen nicht mit Verboten begegnen. Mit ihnen muss man sich öffentlich auseinandersetzen.