
Piratenpartei: Der Streit um Johannes Ponader
Piraten-Chef Schlömer "Ponader soll mal arbeiten"
Hamburg - Zu ihrem Sinkflug in den Umfragen hieß es von Piraten bislang: Alles halb so wild, der Hype sei nun mal vorbei, man schiele nicht auf die Werte. Nur keine Panik. Das war die Haltung der Freibeuter.
Personalwechsel waren ebenfalls kein Thema. Dass Meinungsforscher erklärten, der Sinkflug auf vier, fünf Prozent habe auch mit dem Auftreten des politischen Geschäftsführers Johannes Ponader zu tun, nahm man intern zwar besorgt zur Kenntnis. Die Kollegen im Vorstand wollten Ponader drängen, seine Medienpräsenz herunterzufahren, dieser zeigte sich uneinsichtig. Den Streit spielte die Parteispitze in der Öffentlichkeit herunter.
Mit der betonten Gelassenheit ist es nun jedoch vorbei. Parteichef Bernd Schlömer greift seinen Parteifreund Ponader erstmals in der Öffentlichkeit an. "Ich würde Johannes Ponader raten, mal zu arbeiten, anstatt Modelle vorzustellen, die die Berufstätigkeit umgehen", sagte Schlömer SPIEGEL ONLINE.
Hintergrund der Attacke: Ponader hatte in aller Öffentlichkeit den Abschied von Hartz IV zelebriert und angekündigt, seinen Lebensunterhalt bei knapper Kasse aus Spenden von Anhängern zu bestreiten. Dafür hagelte es Unverständnis innerhalb und außerhalb der Partei. Die Kritik war bereits wieder abgeebbt, doch jetzt ist es dem Parteivorsitzenden offenbar zu viel.
Schlömer macht sich Sorgen um die Außenwirkung des umstrittenen Geschäftsführers. "Für Menschen, die einem Beruf nachgehen, ist es nicht nachvollziehbar, wenn sich jemand durch Spenden alimentieren lassen will und auf Privilegien setzt, die für andere nicht erreichbar sind." Ponaders Aktion habe "uns in ein Glaubwürdigkeitsdilemma gebracht", sagt Schlömer. "Hier entsteht der Eindruck, dass jemand politische Ideen mit persönlichen Vorteilen verknüpft."
Der Parteichef ist sauer
Machtworte dieser Art lehnen die Piraten eigentlich ab, insofern dürfte Schlömers Offensive für heftige Reaktionen sorgen. Zu seinem Ärger dürfte auch beitragen, dass angeblich er für einen Talkshow-Auftritt gebucht war, den dann Ponader übernommen haben soll - trotz der Bitte der restlichen Vorstandsmitglieder, Ponader möge mit Auftritten im Fernsehen pausieren.
Nun ist der Parteichef offenbar entschlossen, aktiv gegen den Sinkflug und die miserable Außendarstellung anzugehen. Umstrittene Vorstandmitglieder sollen erst einmal in der Ruhezone geparkt werden - das gilt nicht nur für Ponader.
So wie die Aktion des Geschäftsführers dem Anliegen des Bedingungslosen Grundeinkommens schadete, beschädigte die Buchpolitik der Mitvorständlerin Julia Schramm die Piraten-Position beim Urheberrecht. Die "Klick mich"-Autorin bot an, sich selbst einen "Maulkorb zu verpassen". Der Vorstand nahm dankend an. Eine Diskussion auf der Frankfurter Buchmesse am Samstag sagte Schramm ab. Der Rückzug solle noch bis Ende des Jahres dauern, heißt es.
Anstelle der beiden wird nun der stellvertretende Vorsitzende Sebastian Nerz vorangeschickt. Nach innen war Nerz zu seiner Zeit als Parteichef von Mai 2011 bis April 2012 stets umstritten, doch nach außen verkörpert Nerz das Seriöse der Piraten. Er soll nun häufiger auftreten und liberale und bürgerliche Wähler ansprechen, die man braucht, um wieder deutlich über der Fünfprozenthürde zu landen.
Nerz hatte bislang als Einziger auch öffentlich gegen Ponader geschossen. Er könne mit ihm nicht zusammenarbeiten, sagte er der "Welt". Er sprach auch davon, dass vielleicht jemand zurücktreten müsse.
Ponader: "Ich bin Schlömer keine Rechenschaft schuldig"
Ponader will jedoch keinen Rückzug antreten und weiter in Talkshows auftreten. "Ich bin politisch der Basis verpflichtet und nicht meinen Vorstandskollegen", sagte Ponader SPIEGEL ONLINE. Mit den Kollegen müsse er nicht einer Meinung sein, aber gut zusammenarbeiten.
Ponader betonte, dass seine umstrittene Spendenaktion zu seinen Gunsten nicht mehr laufe und er nie Geld vom eingerichteten Treuhandkonto entnommen habe. "Faktisch hat die Aktion den Piraten geschadet", gab Ponader zu, man hätte sie vorher intensiver diskutieren sollen.
Zu Schlömers Ratschlag, arbeiten zu gehen, sagte der 35-Jährige: "Da ich kein Geld vom Staat oder von Parteimitgliedern bekomme, bin ich niemandem Rechenschaft schuldig. Es steht auch Bernd Schlömer nicht zu, mir eine Art der Berufsausübung vorzuschlagen." Das sei Privatsache, und er werde weiter freiberuflich arbeiten.
So stehen alle Zeichen weiter auf Streit an der Spitze. Dieser könnte auch den Parteitag Ende November überschatten. Dabei sollte gerade dort die inhaltliche Arbeit stattfinden. Die Piraten wollen ihr Programm zusammenzimmern, mit dem sie in den Wahlkampf ziehen. Nun drohen in Bochum langwierige Querelen über das Vorstandspersonal. Die Arbeit am so wichtigen Wirtschaftsprogramm ist ohnehin in Verzug .
Aus Sorge vor einem gelähmten Parteitag plant man nun, am Abend vor dem Treffen in Bochum die Basis zu einer großen Aussprache in eine Bochumer Kneipe zu laden. Dort sollen die Piraten ihre Kritik an Schlömer, Ponader und Co. rauslassen können. Danach, so die Hoffnung, kann man zwei Tage zusammen an den Inhalten arbeiten.