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Die Piraten sind die erste Formation links der Mitte, die es geschafft hat, viele Intellektuelle gegen sich aufzubringen - mit ihrer Forderung, digitale Inhalte freizugeben. Bei den Nerds haben geistige Güter keinen besonderen Wert.

Was treibt Journalisten dazu, sich den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen? Selbsthass? Naivität? Der Wunsch dazuzugehören? So wie ich die Branche kenne, vermute ich vor allem Letzteres. Kaum eine Berufsgruppe ist nach meiner Beobachtung so empfänglich für die Verlockungen des Zeitgeistes - und gleichzeitig so ängstlich bemüht, ja nicht gestrig, also uncool zu erscheinen.

Mit dem Aufstieg der Piraten zur neuen politischen Hoffnung hat auch ihr Kernthema Konjunktur, die Freigabe aller digitalen Inhalte. Wobei die Advokaten dieser Vergesellschaftung von Eigentumsrechten das so nicht nennen. Sie reden lieber von der "Entkriminalisierung" der Nutzer, beziehungsweise der "Legalisierung der nichtkommerziellen Vervielfältigung". Was das in der Praxis bedeutet, kann sich jeder 18-jährige Erstwähler ausrechnen, dazu braucht er keine Nachhilfe in politischer Versprechensrhetorik.

Die Scharade beginnt mit dem Wort "Rechteindustrie". Weil sich auch die Piraten nicht nachsagen lassen wollen, dass sie den armen Künstlern ins Portemonnaie greifen, machen sie einen Unterschied zwischen dem einzelnen Inhaltearbeiter (gut) und den Herren in den Konzernetagen (böse). Dieser Hut aus der Garderobe des seligen Karl Marx ist inzwischen zwar etwas ausgeleiert, aber er taugt immer noch beim medialen Missionswerk wie man sieht. Dass die Arbeit des einen ohne die Anstrengung der anderen in der Regel nicht zu haben ist, wird geflissentlich übersehen.

Apple - das wäre mal ein würdiger Gegner für die Piraten

Seit sich in der Kulturszene erstmals Widerstand regt, heißt es nun, niemand wolle das Urheberrecht abschaffen, man wolle es nur den neuen Gegebenheiten anpassen. Aber auch das ist Wortklauberei. Wer sich die Mühe macht, in die Programme der Piratenpartei zu sehen, findet dort alle möglichen Vorschläge, welche Schutzvorschriften in Zukunft entfallen sollen - nur leider nichts Konkretes, was denn an deren Stelle treten könnte. Tatsächlich hat sich eine Art Beweislastumkehr etabliert. Wenn nicht genug Geld in die Kasse kommt, haben es die Unternehmen eben versäumt, ein attraktives Angebot zu machen, das mit der kostenlosen Alternative konkurrieren kann. So haben sie neben dem Schaden auch noch den Spott.

Wenn ich mit Vertretern der Piratenpartei über das Urheberrecht rede, sind sie ganz schnell dabei, mir zu erklären, wie man im Netz mit Inhalten Geld verdient. Ich bewundere ihre Begeisterung für das Thema. Ich frage mich nur manchmal, warum sie in die Politik gehen, wenn sie sich so für den Verkauf kultureller Waren interessieren, statt einen Verlag zu gründen, ein Musiklabel oder einen Filmverleih.

Dass ausgerechnet das klagefreudige Unternehmen Apple als Paradebeispiel dient, wie man der "Content-Mafia" Beine macht, gehört zu den komischen Wendungen dieser Debatte. Vermutlich hätte man mehr Achtung vor dem Freibeutermut der Piraten, wenn sie ihre Beutezüge auf den Großkonzern aus dem sonnigen Cupertino ausdehnen würden. Das wäre mal ein würdiger Gegner.

Im Verlagsgewerbe wird kaum jemand reich

Das Verlagsgewerbe ist die nächste Branche, die es treffen wird. Anders als die Musikindustrie verfügt diese nicht über die Rücklagen, eine Erosion ihrer Einnahmebasis lange durchzuhalten. Das Buchgeschäft ist traditionell ein Margengeschäft, bei dem zwei oder drei Prozent darüber entscheiden, ob man am Ende mit Gewinn oder Verlust abschließt. Hier wird niemand wirklich reich, es sei denn, er gehört zu den wenigen Glücklichen, die einen international vermarktbaren Bestseller hervorbringen. Vielleicht finden sich unter denjenigen, die jetzt gegen die Forderungen der Piraten Front machen, auch deshalb so viele Verleger, Autoren und Schriftsteller.

Einige Verleger, wie Wolfgang Ferchl von Knaus, haben die Hoffnung, dass sich die Köpfe der Piratenbewegung besinnen, wenn sie erst einmal selber über Vorschüsse und Verträge verhandeln. Ich bin da nicht so optimistisch. Erstens könnte es dann schon für viele Verlage zu spät sein. Außerdem sind nicht viele Vertreter der neuen Bewegung literarisch so versiert, dass man ihnen einen Buchvertrag anbieten wird.

Kulturferne der Nerd-Welt

Das ist kein Vorwurf. Nicht jeder muss wissen, dass der "Ring des Nibelungen" nicht von Tolkien geschrieben wurde und die "Wahlverwandtschaften" kein Rollenspiel sind. Aber diese Kulturferne der Nerd-Welt erklärt möglicherweise, warum es dort so wenig Verständnis für die Nöte von Leuten gibt, die ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung geistiger Güter verdienen.

Mit dem Sozialismus im Netz, wie ihn die Piraten propagieren, verhält es sich so wie mit allen Wirtschaftsexperimenten dieser Art: Entweder man findet genug Leute, die sich auch noch anstrengen, wenn vor allem andere davon profitieren - oder es gibt bald nicht mehr viel, was es wert ist, dass man es umsonst unters Volk bringt.

Die Piraten und ihre Herolde in den Medien wollen uns weismachen, dass in der digitalen Welt andere ökonomische Gesetze gelten. Mich erinnert das an den Beginn der Dotcom-Blase, als die Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen sein Geld verbrannte, zum Beweis seiner Stärke wurde. Auch damals hieß es, die alten Regeln hätten in der neuen Welt keine Gültigkeit mehr.

Wir wissen, wie das ausgegangen ist.

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