Bilanz zum Maut-Ausschuss Oppositionsparteien konstatieren »schwerste Fehler« Scheuers

Die Pkw-Maut war Andreas Scheuers Prestigeobjekt – und endete in einem politischen und finanziellen Debakel. In ihrer Bilanz zum Maut-Untersuchungsausschuss rechnen FDP, Linke und Grüne mit dem Verkehrsminister ab.
Erinnerungslücken: Minister Scheuer als Zeuge vor dem Maut-Untersuchungsausschuss (Foto vom 1. Oktober 2020)

Erinnerungslücken: Minister Scheuer als Zeuge vor dem Maut-Untersuchungsausschuss (Foto vom 1. Oktober 2020)

Foto: Michael Kappeler / dpa

So viel politische Eintracht sieht man bei FDP, Grünen und Linken selten: Für die drei Oppositionsparteien steht außer Frage, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der gescheiterten Pkw-Maut gravierende Fehler zu verantworten hat und dadurch in seinem Amt untragbar geworden ist.

»Was hier an Verfehlungen vorliegt, das geht weit über das Maß hinaus, was ohne politische Konsequenzen bleiben darf«, sagte Grünenfraktionsvize Oliver Krischer zur Bilanz des Maut-Untersuchungsausschusses des Bundestags. Es sei ein Unding, dass Scheuer noch im Amt sei. Die drei Oppositionsfraktionen beanstandeten gravierende Rechtsverstöße, unzulängliche Prozesse und mangelnden Aufklärungswillen des Ministeriums.

Ganz ausgestanden ist die Sache für Scheuer nicht. Im Juni soll auch der Bundestag noch einmal über die Maut-Aufarbeitung debattieren.

»Was hier an Verfehlungen vorliegt, das geht weit über das Maß hinaus, was ohne politische Konsequenzen bleiben darf.«

Oliver Krischer, Grüne

Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic hielt Scheuer »schwerste Fehler« und Verstöße gegen das Haushalts- und Vergaberecht vor. Linke-Obmann Jörg Cezanne sagte, entsprechende Bewertungen des Bundesrechnungshofes hätten sich »vollumfänglich bewahrheitet«.

Zudem bezweifelt Cezanne mit Blick auf angeforderte Dokumente für den Ausschuss, dass alle Unterlagen vorhanden seien. Auch Luksic forderte dringende Reformen der Abläufe im Ministerium. »Dazu gehört, dass Regierungsmitglieder weder ihre Abgeordneten-Mail noch ihre private Mail-Adresse für die dienstliche Kommunikation nutzen dürfen.«

Die umstrittene Pkw-Maut – ein Prestigeprojekt der CSU in der schwarz-roten Bundesregierung – war im Juni 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Zentrales Problem war, dass nach dem Modell nur inländische Fahrer für Mautzahlungen voll bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten. FDP, Grüne und Linke bezeichneten das Scheitern der Maut vor dem EuGH als »absehbar«.

Die ursprünglich vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadensersatz, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil gekündigt hatte. Dazu läuft ein Schiedsverfahren.

Scheuer hat die Vorwürfe und die Forderungen der Betreiber mehrfach strikt zurückgewiesen. Mit dem Ausschuss gab es teils auch Streit um das Bereitstellen von E-Mails.

Im Fokus der Ausschussarbeit standen auch Vorwürfe gegen Scheuer, die Betreiberverträge trotz des anstehenden EuGH-Urteils noch Ende 2018 geschlossen zu haben, bevor Rechtssicherheit bestand. Grüne, FDP und Linke kommen »zu dem eindeutigen Schluss«, dass es ein Angebot gab, die Unterzeichnung erst nach dem Urteil vorzunehmen – und verweisen auf sieben entsprechende Zeugenaussagen von Managern der Betreiberseite. Scheuer hatte der Darstellung widersprochen und gesagt, so ein Angebot habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben. Eine geforderte Gegenüberstellung kam im Ausschuss nicht zustande.

Das Gremium hatte im Dezember 2019 die Arbeit aufgenommen. Neben FDP, Linken und Grünen hat auch die Koalition eine Bewertung vorgelegt. Die SPD erklärte Mitte April, Scheuer habe sich durch seine Entscheidungen auf einen »fahrlässigen Blindflug« begeben. Er trage die Verantwortung für drohende Entschädigungsansprüche.

ulz/dpa
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