

Es zeichnet sich ein handfester Streit ab zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer: Trotz des ausnahmsweise mal felsenfesten Neins der Bundeskanzlerin zur Autobahnmaut hält der CSU-Chef an seiner Forderung fest: "Ich könnte aus Koalitionsverhandlungen ohne die Maut für Ausländer nicht nach Bayern zurückkommen. Mit einem Prüfauftrag ist das nicht getan", sagte Seehofer dem SPIEGEL.
Vielleicht sollte sich Seehofer schon mal überlegen, wohin er dann gehen will. Denn selbst wenn Merkel seinem Plan doch zustimmen würde, spätestens in Brüssel würde das Vorhaben wohl zu Fall gebracht.
Für die EU wäre eine solche Maut, bei der deutsche Autofahrer im Gegenzug über eine Reduzierung der Kfz-Steuer entlastet würden, eine Diskriminierung. Bereits im Mai 2012 hatte sich EU-Verkehrskommissar Siim Kallas eindeutig dazu geäußert, wie er zu derlei Denkmodellen steht: "Nichtdiskriminierung ist ein im EU-Recht verankertes Grundrecht. Für einen französischen oder britischen Staatsangehörigen muss es genauso leicht sein, Slowenien oder Belgien zu durchfahren, wie für jemanden, der dort wohnt."
Die EU duldet keine Diskriminierung
Wie kompromisslos die EU da vorgeht, hätte Horst Seehofer ein Blick zurück gezeigt: 1996 musste Österreich seine Pläne für eine Jahresvignette nach EU-Intervention abändern. 2008 leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Slowenien ein, weil dort nur Halbjahresvignetten erhältlich waren.
Die Argumentation aus Brüssel: Urlauber, die nur kurz ein Land durchqueren, würden durch derlei Systeme genauso belastet wie ansässige Autofahrer, die die Straßen das ganze Jahr über nutzen. Eine Ungerechtigkeit, die die EU durch Leitlinien für eine Auto-Maut seit Mai 2012 verhindert. "Auch für Nichtansässige müssen mindestens Vignetten mit wöchentlicher, monatlicher und jährlicher Gültigkeitsdauer angeboten werden", heißt es darin.
Auch ist klar geregelt, wie hoch der durchschnittlich Preis eines Tagestickets höchstens sein dürfte, wenn es denn angeboten wird. Nämlich "in einer Größenordnung zwischen dem 2,5fachen und dem 8,2fachen des von einem Ansässigen verlangten Preises", der diesen zumeist wohl in Form länger laufender Vignetten entrichten würde.
Einstimmige Ablehnung von Seehofers Plänen
Entsprechend eindeutig war bisher auch das Echo auf Seehofers Pläne für eine solche Maut. Im TV-Duell vor der bayerischen Landtagswahl hatte SPD-Spitzenkandidat Christian Ude Seehofer vorgeworfen, die Wähler in "die Irre zu führen", Auch Rainer Brüderle, Spitzenkandidat des Noch-Koalitionspartners FDP erteilte Seehofers Plänen eine Absage: " Was Herr Seehofer will, geht gar nicht", so Brüderle.
Tatsächlich stellt sich außer der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer solchen Maut auch die nach der Sinnhaftigkeit. Mit seiner Forderung zeichnet Seehofer das Bild einer Horde von über deutsche Straßen hereinfallenden "Ausländern" (Urlaubern), die sich über die schicken deutschen Straßen schmarotzen, aber nicht dafür bezahlen wollen.
Doch ganz so ist es nicht: Erstens macht der Anteil von ausländischen Autos auf deutschen Straßen nach Angaben des ADAC über das Jahr gesehen gerade mal 5,2 Prozent aus. Zweitens zahlen sie eben doch, nämlich wenn sie hier tanken. Und das in nicht unbeträchtlichem Umfang: Nach Angaben des ADAC tragen durchreisende Urlauber über die Mineralölsteuer 195 Prozent der auf sie anfallenden Infrastrukturkosten.
Wenn, muss es auch die Deutschen treffen
Wenn überhaupt, könnte es also nur eine Maut geben, die auch die Deutschen trifft. Problematisch an einer Argumentation dafür ist allerdings die Tatsache, dass auch ohne sie schon heute rein theoretisch mehr Geld in den Erhalt und Bau von Straßen fließen könnte: Ein großer Teil der Einnahmen durch Mineralöl- und Kfz-Steuer versickert in anderen Teilen des Bundeshaushalts.
Nicht beziffert ist zudem bislang, wie hoch die Kosten für die Errichtung der Infrastruktur zur Erhebung einer Maut und der Verwaltungsaufwand wären - und nach wie vielen Jahren sich diese Investitionen amortisieren würden.
Viele Fragen also, die Horst Seehofer bislang unbeantwortet lässt.
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Streitthema: Trotz Merkels Nein zur Autobahnmaut für Ausländer beharrt CSU-Chef Seehofer auf seiner Forderung - auch wenn diese wohl nie die Zustimmung der EU erhalten würde.
Vignetten-Streit: Sowohl Österreich als auch Slowenien durften bereits erleben, wie empfindlich die EU auf Diskriminierung nichtansässiger Autofahrer reagiert. Weil beide Länder anfangs nur Jahres-, beziehungsweise Halbjahresvignetten verkaufen wollten, die durchreisende Urlauber genauso belastet hätten wie Ansässige, die die Straßen das ganze Jahr nutzen, schritt die EU ein. Nun gibt es in beiden Ländern auch Wochentickets zu kaufen.
Erfolgsmodell LKW-Maut: Keinen Streit gibt es über die LKW-Maut, die ausländische und ansässige Lasterfahrer gleichsam entrichten müssen. Übrigens auch weil ein 40-Tonner die Straße so belastet wie 150.000 Autos. Und entsprechende Instandhaltungskosten verursacht.
Mautstation in Frankreich: In vielen europäischen Nachbarländern gehören Mautstationen längst zum Autofahreralltag.
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