Plagiatsaffäre CDU-Ministerpräsident zweifelt an Guttenberg

CSU-Minister Guttenberg: Von einem Abflauen der Kritik kann keine Rede sein
Foto: dapdBerlin - Das hat sich der Verteidigungsminister sicher anders vorgestellt. Mit dem Verzicht auf den Doktortitel hoffte Karl-Theodor zu Guttenberg auf einen Befreiungsschlag. Und tatsächlich sah es vergangene Woche zunächst so aus, als könne die Strategie des CSU-Ministers aufgehen: Kanzlerin Angela Merkel hält an ihm fest, auch Umfragen ließen darauf schließen, dass seine Beliebtheit in der Bevölkerung nur wenig gelitten hat.
Doch von einem Abflauen der Kritik kann nun wahrlich keine Rede sein: Zehn Tage, nachdem bekannt wurde, dass Guttenberg weite Teile seiner Doktorarbeit bei anderen Autoren abgeschrieben hat, nimmt die öffentliche Empörung noch einmal ordentlich an Schärfe zu.
Und es sind nicht mehr nur Oppositionspolitiker, die Guttenberg kritisieren: Während in seiner eigenen Partei vor allem hinter vorgehaltener Hand Zweifel an Guttenbergs Zukunft geäußert werden, distanzieren sich CDU-Mitglieder öffentlich. Im SPIEGEL-ONLINE-Interview nannte Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel Guttenbergs Verhalten "schwer nachvollziehbar" - ein Rücktritt "wäre leichter für ihn gewesen".
CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer wird noch deutlicher: Er hält es für fraglich, ob Guttenberg dem politischen Druck Stand halten kann. "Es wird immer Menschen geben, die ihm die Fehler bei seiner Doktorarbeit in der Öffentlichkeit genüsslich vorwerfen. Und ich weiß nicht, wie lange er das erträgt und aushalten kann", sagte Böhmer dem Berliner "Tagesspiegel".
Er selbst hätte wahrscheinlich nicht die Kraft, das "längere Zeit durchzuhalten". Und Böhmer setzt noch einen drauf: Das Verhalten Guttenbergs halte er "weder für legitim noch für ehrenhaft". Allerdings sei das allein noch kein Grund für einen Rücktritt. Ein Politiker dürfe "nicht allein aus einem einmaligen menschlichen Verhalten heraus" beurteilt werden.
Forscher warnen vor Verharmlosung
Auch von Wissenschaftlern gibt es harsche Kritik an Guttenberg: Ernst-Ludwig Winnacker, Spitzenrepräsentant der deutschen Forschung und früherer Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), warnt davor, die Plagiatsaffäre zu verharmlosen. Man dürfe nicht mit zweierlei Maß messen, sagte Winnacker dem SPIEGEL.
Eine Verkäuferin, die einen Bienenstich-Kuchen mitgehen lassen, werde entlassen, im Fall aber werde mit der individuellen Leistung und Ausstrahlung abgewogen. "Ich bin überrascht, dass eine solche Abwägung bei einer Kardinaltugend wie der Ehrlichkeit in einem so eindeutigen Fall stattfindet", sagte Winnacker. "Das ist für mich nicht verständlich."
In der Wissenschaft ist Guttenbergs Schicksal Winnacker zufolge besiegelt: "Wir Forscher können niemanden einsperren, das kann nur ein Richter", sagte er, "aber die Strafe der Wissenschaft ist, dass man für immer am Pranger steht." Die Konsequenzen in der akademischen Welt wären eindeutig: "Leute, die so etwas machen, sind in der Wissenschaft erledigt."
"Wir sind einem Betrüger aufgesessen"
Auch der Nachfolger des Doktorvaters von Guttenberg übt scharfe Kritik: "Der Minister leidet unter Realitätsverlust", sagte der Bayreuther Staatsrechtsprofessor Oliver Lepsius der "Süddeutschen Zeitung". "Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat." Der Verteidigungsminister habe "planmäßig und systematisch" wissenschaftliche Quellen zum Plagiat zusammengetragen und behaupte, nicht gewusst zu haben, was er tue. "Hier liegt die politische Dimension des Skandals." Lepsius ist Nachfolger von Guttenbergs inzwischen emeritiertem Doktorvater Peter Häberle.
Guttenberg hat sich bisher gegen den Vorwurf des Vorsatzes verwahrt und lediglich "gravierende handwerkliche Fehler" eingeräumt. Er betont stets, nicht wissentlich getäuscht zu haben, sondern bei der Vielzahl der Quellen etwas den Überblick verloren zu haben.
Mehrere namhafte Juristen sehen die Beweise allerdings als erdrückend an, dass der Verteidigungsminister mit Vorsatz gehandelt hat. "Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in so einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war", sagte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend dem SPIEGEL.
Gabriel warnt vor Schaden für die Bundeswehr
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel legt noch einmal nach: Er wirft Guttenberg vor, mit seinem Verbleib im Amt der Bundeswehr nachhaltig zu schaden. "Herr zu Guttenberg ist jetzt ein Minister auf Abruf, ein Minister von Merkels Gnaden. Er ist am Kabinettstisch auf das Mitleid des Finanzministers und der Kanzlerin angewiesen, wenn er etwas für die Bundeswehr durchsetzen will", sagte Gabriel der "Bild am Sonntag". Damit sei der Verteidigungsminister "zum Risiko für die Bundeswehr geworden".
Gabriel sagte, eine sachliche Zusammenarbeit mit Guttenberg beim Afghanistan-Einsatz oder der Bundeswehrreform werde "sicher sehr, sehr schwer". Auch sei für die SPD die Plagiatsaffäre nicht erledigt, weil Guttenbergs "sogenannte Entschuldigung" schon wieder den Verdacht nahelege, "dass er lügt". Der Verteidigungsminister behaupte, er habe unwissentlich Fehler gemacht. "Aber niemand kann ernsthaft glauben, dass jemand unwissentlich auf 286 von 396 Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt."
Guttenberg tue sich im Übrigen selbst keinen Gefallen, "an seinem Amt zu kleben", sagte der SPD-Chef weiter. Würde er zurücktreten, könnte er in einigen Jahren seine Karriere fortsetzen. "So bleibt er für immer beschädigt und kann die so wichtigen Begriffe wie Ehre, Wahrhaftigkeit und Verantwortung nicht mehr in den Mund nehmen."