Plagiatsaffäre SPD will Guttenberg Regie über Bundeswehr-Unis entziehen
Berlin - Die SPD im Bundestag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, ihrem Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit sofortiger Wirkung die Zuständigkeit für die beiden Bundeswehr-Universitäten vorläufig zu entziehen. "Angesichts der Vorwürfe des massiven Wissenschaftsbetrugs kann Minister Guttenberg diese Aufgabe nicht mehr mit der notwendigen Autorität wahrnehmen", erklärte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Montag in Berlin.
Nach Oppermanns Einschätzung wäre es dem CSU-Politiker "unmöglich, von den Doktoranden an den Bundeswehrhochschulen zum Beispiel die Einhaltung der Vorschriften über die Anfertigung von Doktorarbeiten zu verlangen und dies auch durchzusetzen, wenn es notwendig ist". Insbesondere dürfe Guttenberg nicht länger über die Berufung der Professoren entscheiden, meinte Oppermann.
Oppermann zog das Fazit: "Bis zum Abschluss der laufenden Untersuchungen und zur unausweichlichen Entlassung des Ministers sollte Ministerin Schavan die Zuständigkeit für die beiden Universitäten in Hamburg und München übertragen werden."
Guttenberg hat Teile seiner Doktorarbeit ohne Quellenangaben abgeschrieben. Daraufhin entzog ihm die Universität Bayreuth den akademischen Titel. Bisher hat der Minister alle Vorwürfe zurückgewiesen, mit Absicht betrogen zu haben. Merkel hatte unter anderem erklärt, sie sehe in Guttenberg nicht den Doktoranden, sondern den Verteidigungsminister.
Auch an anderer Stelle reißen die Vorwürfe nicht ab. Inzwischen ist eine siebte Expertise der Wissenschaftlichen Dienste im Deutschen Bundestag aufgetaucht, die Guttenberg in seiner Arbeit freizügig abgekupfert hat, ohne sie als Quelle zu nennen. Dabei handelt es sich um eine 13-seitige Ausarbeitung vom 21. Oktober 2003 mit dem Titel "Der Gottesbezug in den Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, der EU-Beitrittskandidaten und in den Verfassungen der 16 Bundesländer". Ein Hinweis auf das Papier ist weder in der Fußnote zu finden noch im Literaturverzeichnis. Das Beispiel ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Minister gegen die Bundestags-Regularien verstoßen haben könnte.
Die Opposition sieht hinter dem fragwürdigen Umgang mit Bundestags-Expertisen ein System. "Jede fünfte Seite von Guttenbergs Plagiat wurde zur Gänze vom wissenschaftlichen Dienst geschrieben. Der Freiherr war so frei, sich seinen Ghostwriter vom Steuerzahler entlohnen zu lassen", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin SPIEGEL ONLINE.
Parteichefin Claudia Roth kritisierte, dass Merkel den Verteidigungsminister halte, obwohl der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater, der Bayreuther Juraprofessor Oliver Lepsius, ihn Betrüger genannt habe. "Wir sind der Meinung, dass Angela Merkel mit ihrer Position der Demokratie in unserem Land und den Regeln (...) einen Totalschaden zufügt."