Karenzzeiten für Politiker Koalition verschleppt Lex Pofalla

Als der Wechsel von Ronald Pofalla aus dem Kanzleramt zur Bahn verkündet wurde, versprach die Koalition ein schnelles Gesetz, das eine Übergangszeit für Regierungsmitglieder festlegt. Dann passierte: nichts. Die Geschichte einer Verschleppung.
Pofalla, Merkel und die Bahn (Archivbild von 2009): Koalition verschleppt Karenzzeit-Regelung

Pofalla, Merkel und die Bahn (Archivbild von 2009): Koalition verschleppt Karenzzeit-Regelung

Foto: INA FASSBENDER/ REUTERS

Berlin - Die Schlagzeilen, die der Fall Pofalla in diesen Tagen macht, sollte es eigentlich nicht mehr geben. Als die Causa das erste Mal Wellen schlug, da versprach die Koalition, solche umstrittenen Wechsel von der Regierung in die Wirtschaft zu regeln. Eine feste Übergangsfrist sollte es geben, und zwar schnell.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte: "Fast alle Beteiligten finden, dass eine solche Frist sinnvoll ist." Auch CSU-Chef Horst Seehofer, der anfangs bremste, sagte, er wolle ein Gesetz unterstützen. "Die Regelung kommt zügig, im Frühjahr", versprach SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht, damals im Januar.

Jetzt ist der umstrittene Wechsel Ronald Pofallas vom Kanzleramt in den Bahnvorstand offiziell verkündet, doch von einer Regelung zu Karenzzeiten ist nichts mehr zu sehen. Und auch in der SPD wächst die Ungeduld. "Das Kabinett sollte hier rasch eine entsprechende verbindliche Regelung finden. Darauf warten wir noch", sagt Lambrecht jetzt.

In der Debatte um die Übergangszeiten zwischen Regierungsamt und Wirtschaftsjob geht es um große Themen: um den Verdacht von Korruption, um den Anschein, dass Unternehmen sich mit der Neueinstellung ein offenes Ohr in der Regierung erkaufen.

Karenzzeit-Regeln? Die Regierung gibt sich schmallippig

So war es im vergangenen Jahr, als Eckart von Klaeden seinen Posten als Kanzleramtsminister aufgab, um nach der Bundestagswahl Cheflobbyist bei Daimler zu werden. Nur wenige Wochen lagen zwischen den Jobs. Unvergessen auch, wie Gerhard Schröder kurz nach dem Abschied aus dem Kanzleramt einen Job beim russischen Staatskonzern Gazprom annahm.

Dann kam der Fall Pofalla - und dabei erklärte sich auch die Union bereit, per Gesetz eine Karenzzeit festzulegen. Turbowechsel à la Klaeden wären dann nicht mehr möglich. Doch von all dem ist nur wenig übriggeblieben.

Die Fraktionen schieben die Verantwortung nun auf die Ministerien. Lambrecht, die ein rasches Gesetz versprochen hatte, sagt: "Unser Vorschlag für einen Kompromiss ist nach wie vor eine Karenzzeit von mindestens zwölf Monaten. Die SPD könnte sich auch einen längeren Zeitraum vorstellen." Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte: "Es ist unmöglich, dass das von der Bundesregierung angekündigte Gesetz immer noch nicht vorliegt."

Angeblich kursiert ein erstes Konzept aus dem Innenministerium. Dort gibt man sich schmallippig. Man wolle eine "angemessene Regelung" finden, diese sei "in der politischen Abstimmung", heißt es aus dem Ministerium auf Anfrage. Regierungssprecher Steffen Seibert blieb noch eine Spur unkonkreter: Es sei "wünschenswert", dass vor einem Wechsel in die Wirtschaft "eine gewisse zeitliche Distanz" liege. Vor sechs Monaten klang das genauso - als ob die Zeit stehen geblieben wäre.

"Koalition sitzt das Thema aus"

Wie viele Monate die Frist denn nun betragen soll, wollte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, Anfang des Monats vom Innenministerium erfahren - ohne Erfolg. "Nach Kontroverse und öffentlicher Debatte um den Wechsel von Pofalla zur Bahn scheint die Große Koalition das Thema Karenzzeit jetzt auszusitzen", sagt Haßelmann.

In den Wochen der Aufregung im Januar war man schon weiter. Mit der SPD, die im Wahlkampf noch für eine strikte Karenzzeitregelung von 18 bis 24 Monaten getrommelt hatte, einigte sich mit der Union informell bereits auf eine Frist von 12 Monaten.

CDU und CSU wollten zunächst nur einen einfachen Kabinettsbeschluss, in dem sich die Minister selbst verpflichten, nicht vorschnell in die Wirtschaft zu wechseln. Dann setzte sich auch dort die Auffassung durch, dass es ein Gesetz brauche - schließlich heißt es im Grundgesetz in Artikel 12, dass die freie Berufswahl und Berufsausübung "durch ein Gesetz" geändert werden kann.

Opposition und NGOs ging bereits der erste Kompromiss nicht weit genug. Die Grünen fordern wie die Antikorruptionsorganisation Transparency International eine Karenzzeit von drei Jahren. Die Linke will die Frist abhängig machen von der Länge der Regierungstätigkeit, dem Anspruch auf Übergangsgelder und der Ressortzuständigkeit: Wer also als Staatsminister mit Digitalem zu tun hatte, muss besonders lange warten, wenn er etwa zu Google und Facebook wechselt. Mittlerweile wäre sie schon froh, wenn es überhaupt bald eine Regelung gäbe. Fraktionsvize Sahra Wagenknecht: "Es ist unmöglich, dass das von der Bundesregierung angekündigte Gesetz immer noch nicht vorliegt."

Auch eine Rüge aus Brüssel scheint nichts gebracht zu haben. Antikorruptions-Aktivisten klingen mittlerweile resigniert. Anfang des Jahres sammelte die NGO LobbyControl noch zehntausende Unterschriften für ein Gesetz zu Karenzzeiten, im März zog man damit vor das Kanzleramt. Jetzt sagt Sprecher Timo Lange: "Es ist wirklich kein kompliziertes Gesetz. Aber die verschleppen das einfach."

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