Kanzleramtschef und Geheimdienste Pofallas Placebo

Die Aktion soll aus Sicht der Bundesregierung die NSA-Affäre beenden. Doch die Ankündigung von Kanzleramtschef Ronald Pofalla, mit dem US-Geheimdienst NSA ein "No-spy-Abkommen" abzuschließen, wirft nur neue Fragen auf.
Kanzleramtschef und Geheimdienste: Pofallas Placebo

Kanzleramtschef und Geheimdienste: Pofallas Placebo

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Berlin - Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hatte die Sätze auf seinem vorformuliertem Text fast durchweg mit gelben Markierungen versehen. Alles war offenkundig wichtig, was er den Journalisten nach der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums vorzutragen hatte. Fünfzehn Punkte listete er auf, sprach wie bei seinem Auftritt vor über zwei Wochen ohne Unterlass.

Es soll der große Befreiungschlag werden, das war und ist Sinn und Zweck des Pofalla-Auftritts. Die Union will endlich den Deckel auf die NSA-Affäre legen, die ausgelöst wurde durch die Berichte des Whistleblowers Edward Snowden. Die Quintessenz von Pofallas Botschaft ist schlicht: Der amerikanische Geheimdienst NSA und der britische Dienst halten sich an deutsches Recht und Gesetz, das hätten sie schriftlich zugesichert. Es gebe, so Pofalla mit Blick auf die SPD, in Deutschland daher auch keine millionenfache Grundrechteverletzung. Die Daten, die der BND an die NSA weitergebe, stammten aus der Auslandsaufklärung, beträfen also keine deutschen Bürger.

Es ist ein Staatsschauspiel besonderer Art. Der Vertraute der Kanzlerin und Geheimdienstkoordinator lobt die "schwere Arbeit" der Dienste, zitiert schriftliche Zusicherungen, die die amerikanische und britischen Dienste erst kürzlich der deutschen Regierung gegeben haben. Pofalla zeichnet das Bild einer einträchtigen Welt der deutsch-amerikanischen Geheimdienstzusammenarbeit. Terrorattentate auf deutsche und US-Soldaten in Afghanistan seien so verhindert worden.

Wenn man dem Pofalla-Szenario folgt, ist die ganze Aufregung eigentlich überflüssig.

Wozu aber ein No-spy-Abkommen?

Nur - es gibt in diesem allzu schönen Szenario einen Haken. Und den liefert Pofalla selbst. Denn zwischen dem BND und der NSA soll noch in diesem Monat über ein "No-spy-Abkommen" verhandelt werden. Ein solches Abkommen sei eine einmalige Chance, Standards für die künftige Arbeit der westlichen Geheimdienste zu setzen, sagt Pofalla.

Bereits am vergangenen Freitag hatte sich der Präsident des BND, Gerhard Schindler, schriftlich an den NSA-Direktor Keith B. Alexander gewandt, um solche Gespräche einzuleiten. Es ist das Placebo, das der Öffentlichkeit in Wahlkampfzeiten verabreicht wird. Die Botschaft soll lauten: Seht her, alles wird gut!

Es gibt nur ein Problem: Schon sprachlich ist das No-spy-Abkommen verräterisch. Wenn es eine Verständigung über Nicht-Spionage geben soll, dann gibt es offenkundig genau das bis in die Gegenwart - Ausspähaktionen befreundeter Dienste in Deutschland. Das sind keine Hirngespinste von Journalisten, die die reale Welt für einen Agententhriller halten. Hinweise darauf ergeben sich etwa aus jenen Papieren, die Snowden öffentlich gemacht hat und über die der SPIEGEL diese Woche berichtet - so rangiert Deutschland bei den NSA-Spionagezielen im Mittelfeld, etwa auf einer Ebene mit Frankreich und Japan. Interessant finden die NSA-Agenten an Deutschland seine Außenpolitik und die wirtschaftliche Lage. Es gehe ihnen also um die "ökonomische Stabilität" und um "Gefahren für die Finanzwirtschaft", heißt es in dem Papier.

Zur Beruhigung trägt das "No-spy-Abkommen" sicherlich nicht bei - im Gegenteil. Neue Fragen werden der Bundesregierung gestellt werden: Was soll in solch einer Abmachung enthalten sein? Wird sie nur die Arbeit der Auslandsgeheimdienste betreffen? Oder werden darin auch die Interessen der Bürger berücksichtigt, deren Internetdaten über amerikanische Server laufen und möglicherweise abgeschöpft und gespeichert werden? Das alles ist noch nicht endgültig beantwortet, allen schriftlichen Zusicherungen zum Trotz. Und: Allein die Tatsache, dass der BND-Präsident mit seinem NSA-Kollegen über das No-spy-Abkommen sprechen soll, ist mehr als fraglich. Hier sind die Regierungen selbst gefragt, nicht die Chefs zweier Auslandsgeheimdienste.

Pofalla ahnt offenbar, welche neuen Fragen das anvisierte Abkommen aufwirft. Vorsorglich spricht er selbst davon, die US-Behörden hätten das Angebot nicht gemacht, "wenn ihre Aussage, sich an Recht und Gesetz zu halten, nicht stimmte". Da ist eine verquere Logik, der man erst einmal folgen muss und die nur Pofalla selbst erklären könnte.

Doch dazu kam es nicht. Wie nach seinem letzten Auftritt, so waren auch diesmal Fragen nicht zugelassen. Nach Punkt 15 machte Pofalla auf dem Absatz kehrt.

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