Umstrittene Justizreform Gabriel kritisiert polnische Regierung

"Wir müssen darauf achten, dass unser Fundament nicht bröckelt": Sigmar Gabriel hat die Justizreform in Polen scharf kritisiert. Im Streit zwischen Warschau und der EU bezieht der deutsche Außenminister klar Position.
Demonstration gegen die Justizreform in Warschau

Demonstration gegen die Justizreform in Warschau

Foto: Czarek Sokolowski/ dpa

Tausende Polen sind am Wochenende gegen die Justizreform in ihrem Land auf die Straßen gegangen, Anfang vergangenen Jahres wurde gegen das Land ein Verfahren der EU-Kommission zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet.

Nun hat sich auch der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zu den jüngsten Gesetzesvorhaben der rechtskonservativen PiS im größten östlichen Nachbarland der Bundesrepublik geäußert. "Wir können in der Welt nicht Rechtsstaatlichkeit und Demokratie predigen und unsere eigenen Standards nicht beachten", sagte Gabriel am Montag dem SPIEGEL. Mit Blick auf den EU-Partner in Warschau fügte er hinzu: "Wir alle müssen darauf achten, dass unser eigenes Fundament nicht bröckelt. Dabei hat die EU-Kommission unseren Rückhalt."

Die nationalkonservative PiS-Regierung hat seit ihrem Amtsantritt vor rund einem Jahr eine Reihe von Reformen umgesetzt, die nicht nur von der Opposition, sondern auch von der EU als Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit kritisiert werden. Erst am vergangenen Samstag hatte der polnische Senat zwei umstrittene Vorlagen verabschiedet.

Außenminister Gabriel erhält vom deutschen Botschafter Nikel (links) im März 2017 in Warschau ein Baby-T-Shirt für seine Tochter überreicht.

Außenminister Gabriel erhält vom deutschen Botschafter Nikel (links) im März 2017 in Warschau ein Baby-T-Shirt für seine Tochter überreicht.

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Eine der Vorlagen sieht vor, dass das Parlament künftig über die Besetzung des Landesrichterrats entscheiden soll. Dem bislang als unabhängig geltenden Gremium obliegt die Besetzung der Richterposten im Land. Die zweite Vorlage erlaubt es dem von der PiS gestellten Justizminister, die Posten der Präsidenten an den ordentlichen Gerichten des Landes direkt zu besetzen. Am Donnerstag vergangener Woche hatte die PiS zudem einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, mit dem der Oberste Gerichtshof dem Justizministerium unterstellt werden soll.

Kritiker werfen der polnischen Regierung Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz vor, wodurch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung beschädigt würden. Die EU-Kommission hatte bereits im Januar vergangenen Jahres ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet. Anlass war die umstrittene Reform des polnischen Verfassungsgerichts.

Am Montag reagierte auch das Europäische Parlament. Sollten die entsprechenden Gesetze in Kraft treten, müsse dies Konsequenzen haben, denn sie seien mit den EU-Verträgen und der Mitgliedschaft nicht vereinbar, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben der Vorsitzenden der wichtigsten Fraktionen an Parlamentspräsident Antonio Tajani.

"Dies ist nicht nur eine Verletzung der polnischen Verfassung, sondern auch fundamentaler Prinzipien der EU-Verträge", heißt es in dem Brief, den Manfred Weber (EVP), Gianni Pittella (Sozialisten), Guy Verhofstadt (Liberale), Gabi Zimmer (Linke), Philippe Lamberts und Ska Keller (beide Grüne) unterzeichneten.

Vor dem Obersten Gerichtshof in Warschau demonstrierte am Sonntag eine Richtervereinigung. Nach Angaben der Stadtverwaltung nahmen an dem Protest 17.000 Menschen teil. Sie hielten Kerzen in den Händen und sprachen sich für "freie Gerichte" aus. Proteste gab es am Sonntag auch in anderen polnischen Städten, darunter Krakau, Stettin und Breslau.

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