Erstürmte Reichstagstreppe Politiker empört über rechtsextreme Demonstranten

Die Proteste gegen die Corona-Politik der Regierung verliefen überwiegend friedlich. Vorm Reichstag durchbrachen jedoch rechte Demonstranten Absperrungen und erstürmten die Treppe - Politiker zeigten sich "erschüttert".
Demonstranten auf der Treppe des Reichstags, 29.8.2020

Demonstranten auf der Treppe des Reichstags, 29.8.2020

Foto: CHRISTIAN MANG / REUTERS

Die versuchte Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch rechtsextreme Demonstranten am Rande der Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen hat breite Empörung ausgelöst. "Nazisymbole, Reichsbürger- und Kaiserreichsflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag rein gar nichts verloren", kritisierte Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Onlinedienst Twitter.

Am Samstagabend hatten nach Polizeiangaben mehrere Hundert Demonstranten die Treppe des Reichstagsgebäudes gestürmt. Die Beamten vor Ort hätten die Demonstranten abgedrängt und dabei auch Pfefferspray eingesetzt, sagte eine Polizeisprecherin. Es gab mehrere Festnahmen, die genaue Zahl war zunächst unklar.

Bei Demonstranten waren auch die von Reichsbürgern verwendeten schwarz-weiß-roten Reichsflaggen zu sehen. Videos, die im Internet kursieren, zeigen, wie die Menschen direkt vor der Tür des Reichstags stehen. Nur drei Polizisten standen ihnen noch im Weg.

Polizeisprecher Thilo Cablitz erklärte dazu: "Wir können nicht immer überall präsent sein, genau diese Lücke wurde genutzt, um hier die Absperrung zu übersteigen, zu durchbrechen, um dann auf die Treppe vor dem Reichstag zu kommen."

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SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte, es sei "völlig legitim, dass man gegen Politik demonstriert, dass man Fragen stellt und Sachen kritisiert. Dies gehöre zur Demokratie dazu, sagte Klingbeil "Bild" live.

Es mache ihn aber wütend und fassungslos, "wenn ich sehe, dass Reichsbürger und Nazis versuchen, mit anderen Demonstranten in das Gebäude zu kommen". Er sei den Polizisten dankbar, "die sich in den Weg gestellt haben und Schlimmeres verhindert haben".

Die Grünenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt nannte die Bilder "erschütternd". Vor dem Reichstagsgebäude hätten Demonstranten versucht, die Demokratie anzugreifen. "Dass ihnen das nicht gelingt, nicht heute, niemals, ist unser aller Auftrag", appellierte sie auf Twitter.

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Der CDU-Politiker Norbert Röttgen nannte die Bilder "beschämend". "Über dem Westportal des Reichstagsgebäudes steht 'Dem deutschen Volke'. Die absolute Mehrheit der Deutschen will keine Reichsfahnen auf den Stufen zu ihrem Parlament sehen", erklärte Röttgen auf Twitter.

Zuvor hatte sich bereits Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bestürzt über die Ereignisse vor dem Reichstagsgebäude gezeigt. Der "Bild am Sonntag" sagte er, "Meinungsvielfalt" sei ein "Markenzeichen einer gesunden Gesellschaft". Die Versammlungsfreiheit habe aber "dort ihre Grenzen, wo staatliche Regeln mit Füßen getreten werden".

Das Reichstagsgebäude sei als Wirkungsstätte des Parlaments "das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie", erklärte Seehofer. "Dass Chaoten und Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich." Der Innenminister dankte der Polizei, "dass sie uns heute schnell und konsequent davor bewahrt hat". Der Staat müsse "gegenüber solchen Leuten mit null Toleranz und konsequenter Härte durchgreifen".

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) schrieb im Onlinedienst Twitter: "Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend." Zwar habe jeder das Recht, über den Umgang mit der Coronavirus-Pandemie zu streiten und für seine Meinung zu demonstrieren. Allerdings solle dafür niemand Rechtsextremen hinterherlaufen, die Polizei gefährden und viele einem Infektionsrisiko aussetzen, schrieb der Minister.

Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, warnte vor möglichen Folgen der Corona-Proteste. "Solche Demonstrationen sind für radikale Bewegungen ein ideales Umfeld, um immer mehr Menschen für ihre Ideologien zu gewinnen", sagte Fiedler der "Rheinischen Post". "Dort mischen sich Feinde der Demokratie mit Teilen der gesellschaftlichen Mitte, Verschwörungstheorien können so immer schneller um sich greifen."

hda/AFP/dpa

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