Politiker-Nebeneinkünfte Warum manche Anwälte schweigen dürfen
Hamburg - Eigentlich klingt alles ganz einfach: Wenn Bundestagsabgeordnete mehr als 1000 Euro pro Monat oder 10.000 Euro pro Jahr verdienen, müssen sie dies veröffentlichen. Auch wenn die Einkünfte aus einer Beteiligung an einer Anwaltssozietät stammen - sagt der Staatsrechtler Ulrich Battis. So stehe es im Verfassungsgerichtsurteil vom vergangenen Mittwoch. Er selbst hat den Bundestag in dem Verfahren als Prozessbevollmächtigter vertreten.
Stimmt nicht, sagen dagegen die CDU-Parlamentarier Siegfried Kauder und Friedrich Merz. Denn nach einer Regelung des Bundestagspräsidiums vom März 2005 sind Gewinne aus Gesellschaftsbeteiligungen von weniger als 25 Prozent von der Veröffentlichungspflicht befreit.
Wie viel Geld die Arbeit für die weltweit operierende Sozietät Mayer, Brown, Rowe & Maw tatsächlich aufs Konto spült, hält Merz deshalb geheim. Auch Kauder will sich zu den Gewinnen aus seiner überregional tätigen Kanzlei Lerner, Kauder, Lachenmaier und Kollegen nicht äußern.
Zu Unrecht, sagt Staatsrechtler Battis. Schließlich habe das Verfassungsgericht klar darauf hingewiesen, dass damit die Veröffentlichungspflicht praktisch umgangen werde. In der Urteilsbegründung von vergangener Woche heißt es, die Verhaltensregeln für Bundestagsmitglieder zielten darauf ab, grundsätzlich jeden wirtschaftlichen Vorteil aus Nebentätigkeiten anzeigepflichtig zu machen, wenn die vorgesehenen Einkommensgrenzen überschritten würden. Ob der Abgeordnete unmittelbar honoriert wird oder als Gesellschafter von den Gewinnen profitiert, spielt demnach keine Rolle.
"Da steht ganz klar, wie es auszulegen ist"
Das Bundestagspräsidium sieht dies allerdings anders: Die Veröffentlichungspflicht von Gesellschaftsbeteiligungen sei gar keine Frage des Verfassungsrechts, sondern eine Frage des Verwaltungsrechts, sagt der Sprecher von Bundestagspräsident Norbert Lammert, Guido Heinen. Entscheidend seien somit nur die bisherigen Veröffentlichungsregeln, die im Konsens mit den Fraktionen erlassen wurden. "Änderungen in dieser Verfahrensweise bedürfen deshalb erneut eines entsprechenden parlamentarischen Konsenses", sagt Heinen.
Die Äußerungen des Verfassungsgerichts spielen demnach offenbar keine Rolle. Der Bundestagssprecher Christian Hoose erklärt gar, der Richterspruch sei überhaupt nicht als bindendes Urteil zu betrachten, sondern lediglich als "Vier-zu-vier-Entscheidung". Die Richter in Karlsruhe hatten sich mit einem klaren Urteil schwer getan: Nach monatelangen Verhandlungen waren sie bei der Klage von Merz und acht weiteren Abgeordneten aus Union, FDP und SPD zur Stimmengleichheit gekommen - womit eine Verfassungsklage stets abgelehnt wird.
Zu den Zweifeln an der Verbindlichkeit des Urteils sagt Staatsrechtler Battis: "Das ist einfach Unsinn." Auch der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm hält diese Behauptung für unhaltbar. "Eine Vier-zu-Vier-Entscheidung ist genauso verbindlich wie eine Acht-zu-Null-Entscheidung", betont er. Der eigentliche Knackpunkt liegt woanders: Ob die Äußerungen des Gerichts zur Veröffentlichung von Einkünften aus Gesellschaftsbeteiligungen bindend sind, hängt demnach davon ab, ob sie für das Urteil von entscheidender Bedeutung waren. Das aber ist heftig umstritten.
"Die Ausführungen gehören nicht zu den tragenden Gründen des Urteils", behauptet der Sprecher des Bundestagspräsidenten, Heinen. Auch Merz-Anwalt Christofer Lenz hält die Veröffentlichungspflicht für nicht bindend. "Da wird eine Rechtsmeinung geäußert, wie man es auslegen könnte", erklärt er. Eine zwingende Notwendigkeit für die Bundestagsverwaltung, die bestehenden Regelungen zu ändern, sieht er nicht. Auch Kauder wiegelt ab: Er habe seine Angaben zu den Einkünften entsprechend seiner Interpretation des Urteils gemacht. Alles Weitere sei Sache des Bundestagspräsidiums.
Für Battis gibt es dagegen keinen Zweifel: "Es ist klar, dass das bindend ist. Die Bundestagsverwaltung muss die Abgeordneten benachrichtigen, die sich auf diese Regelung berufen", fordert er. Für die Einwände des Präsidiums hat er kein Verständnis. "Da steht ganz klar, wie es auszulegen ist. Das ist ein Urteil."
Angaben im Internet immer noch unvollständig
Dennoch sind die Angaben selbst bei Abgeordneten unvollständig, die sich nicht auf die 25-Prozent-Regelung berufen können. Der FDP-Politiker Hans-Joachim Otto ist mit 33 Prozent an der Anwaltssozietät Kestler Mielert Otto beteiligt. Dass seine Einkünfte auch eine Woche nach der Urteilsverkündung noch nicht im Internet aufgeführt sind, liegt seiner Darstellung nach daran, dass er zusätzlich die Personal- und Bürokosten seiner Kanzlei veröffentlichen will. Zudem will er auf seiner Bundestagsseite darauf hinweisen, dass seine Mandate in keinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Abgeordneter stünden. Der Bundestagspräsident habe das so aber leider bislang nicht akzeptiert, erklärt er.
Auch die Bundestagsseite des SPD-Politikers Peter Danckert ist unvollständig. Er behauptet ebenfalls, seine Einkünfte dem Präsidium bereits gemeldet zu haben. Kleiner Schönheitsfehler: Dass Danckert seit mehr als neun Jahren als ehrenamtlicher Geschäftsführer mit 50 Prozent an einem Fuhrunternehmen in der Nähe von Potsdam beteiligt ist, hat er bislang verschwiegen. Warum diese Nebentätigkeit für den Pferdehofbetreiber Otto Pohl GmbH dem Präsidium nicht gemeldet wurde, konnte er auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE nicht sagen. Nun werde er dies dem Bundestagspräsidenten jedoch vortragen, kündigte Danckert an. Eine "bedeutsame Interessenverknüpfung" gebe es aber nicht: "Es gibt da nichts zu verbergen."