Politiker-Vorschläge Mit Hartzis gegen Terror, Rost und Straßenstaub

Keine Idee, wie man als Politiker in die Schlagzeilen kommt? Nicht Verzweifeln! Schlagen Sie doch einfach vor, welche Frondienste Hartz-IV-Empfänger demnächst leisten sollen. Spargelstecher oder Terrorbekämpfer - alles ist möglich.
Von Claus Christian Malzahn

Berlin - Im Medienzirkus der Politik legt man sich am liebsten mit der Klientel an, die schwächer ist als man selbst - oder mit einer Gruppe, die unter einem politischen Generalverdacht steht. Die Sozis und die PDS schimpfen am liebsten über George W. Bush und seine Amerikaner, neuerdings auch gern über die Israelis. Das bringt Stimmung - und Stimmen.

Die Lieblingsgegner der CSU leben im 1990 hinzu gewonnenen Beitrittsgebiet, denn wer auf dem Oktoberfest einen Ossi-Witz erzählt, bekommt fast immer einen ausgegeben. In der Linkspartei wiederum hält man die Kirchen für ganz gefährlich, was dazu geführt hat, dass die Ex-SED, deren Sturz maßgeblich von Kirchengruppen in der DDR herbei geführt wurde, seit ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin den Religionsunterricht an den Schulen mehr oder weniger abgeschafft hat. Die FDP ist im Moment sowieso gegen alles außer Steuersenkungen, und die CDU - die braucht gar keine politischen Gegner mehr, weil sie ja viele Landesväter hat.

Aber alle zusammen - Linkspartei mal ausgenommen - prügeln seit geraumer Zeit am liebsten auf Langzeitarbeitslose ein. Die wählen eh nicht mehr - und wehren können sie sich auch nicht. Wenn sich die deutsche Polit-Elite über Hartz-IV-Empfänger äußert, dann freilich nicht, um zu erklären, wie man diesen Menschen wieder einen normalen Job besorgen kann. Sie sprechen auch nicht über Kinderarmut oder verzweifelte Arbeitssuche. Vielmehr gerieren sich Konservative wie Sozis in nachrichtenarmen Zeiten gern als Generäle der Millionenarmee von Hartzis und Arbeitslosen. Der implizite Vorwurf, dass Hartzis eigentlich faule Säcke sind, bringt Sympathie bei den neuen Mittelschichten. Die glauben nämlich, dass ihnen alle Welt auf der Tasche liegt, besonders Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck, der an Schröders alte neue Mitte ran will, möchte unsere Hartzis deshalb zur Strafe "Geländer streichen oder Treppen kehren lassen". Sein Genosse Wolfgang Tiefensee findet, dass Langzeitarbeitslose im Rahmen der Terrorbekämpfung "in Bussen oder Straßenbahnen nach dem Rechten sehen" sollten. Super Vorschlag: Wir bekämpfen Bin Laden und die Arbeitslosigkeit mit aus Hartzis bestehenden Al-Qaida-Patrouillen - und beseitigen damit gleich zwei Probleme auf einen Streich.

Aber im Land der Ideen geht noch viel mehr. Nach der Tsunami-Katastrophe wollte der Liberale Rainer Brüderle Arbeitslose zum Wiederaufbau in die Katastrophengebiete schicken, denn "dort wird jede kundige Hand dringend gebraucht." Und der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Ernst Hinsken, ein CSU-Mann der Praxis, konnte sich Hartz-IV-Empfänger auch gut als "Reingungskräfte bei Autobahnraststätten" vorstellen. Wenn sie dann anschließend zum Spargelstechen, Erdbeerpflücken oder Gurkenernten gehen, wie das die Bundesagentur für Arbeit selbst empfohlen hat, müssten sie sich freilich vorher die Hände waschen. Weitere Beispiele aus dem Hartz-IV-Zirkus: Hilfskräfte in der Schulbücherei, Straßenkehrer, Altenpfleger, Pausenaufsicht, Landschaftsgärtner, Hausaufgabenhilfe.

Mit ihrer Karriere zu Spargelstechern und Terroristenjägern haben die Langzeitarbeitslosen selbst am wenigsten gerechnet. Sie hat ja auch niemand gefragt. Muss man ja auch nicht. Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten: Wir könnten sie auch als Blauhelme in den Libanon schicken, das wird schließlich gut bezahlt, oder zumindest als Leihsoldaten in den Süden Afghanistans. Da wird scharf geschossen, weswegen die Bundeswehr da nicht so gerne hin möchte.

Oder wir lassen die Arbeitslosen einfach wieder Autobahnen bauen, so wie früher, als in den 30er Jahren das erste staatliche Beschäftigungsprogramm im großen Stil umgesetzt wurde. Der Typ, der sich den Wunsch einer Autobahn zwischen München und Salzburg erfüllen ließ, hat übrigens eine steile Polit-Karriere gemacht. Auch die neuen Mittelschichten waren seinerzeit schwer von ihm begeistert.

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