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Baden-Württemberg: Die Polizisten und der Klu-Klux-Klan

Foto: Jim Lo Scalzo/ dpa

Affäre in Baden-Württemberg Schwäbische Polizisten und der Ku-Klux-Klan

Skandal in der Polizei Baden-Württembergs: Zwei Beamte waren Mitglied im deutschen Ableger der US-Rassistentruppe Ku-Klux-Klan - und durften im Dienst bleiben. Sie waren Kollegen der mutmaßlich von Neonazis ermordeten Michèle Kiesewetter. Innenpolitiker fordern Aufklärung.

Berlin/Stuttgart - Sie sind immer noch Polizisten. Schützen das Grundgesetz, sorgen für Recht und Ordnung. Einer von ihnen ist heute im Streifendienst, der andere weiterhin Gruppenführer bei der Bereitschaftspolizei. Und das, obwohl beide Beamte aus Baden-Württemberg eine zeitlang Mitglied in einer deutschen Untergruppe des rassistischen US-Geheimbunds Ku-Klux-Klan waren. "European White Knights of the Ku-Klux-Klan", abgekürzt EWK, nennt sich die Gruppierung, denen die Polizisten angehörten.

Beamte, die einen Eid auf die Verfassung schwören - und eine offen rassistische Organisation? Das wirft viele Fragen auf. Aufgeflogen ist die Sache nun im Zuge der Ermittlungen gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Denn die beiden Polizisten waren pikanterweise Kollegen von Michèle Kiesewetter, die nach bisherigem Ermittlungsstand 2007 in Heilbronn von NSU-Mitgliedern ermordet wurde.

Kaum jemand dürfte wissen, dass der Klan auch in Deutschland sein Unwesen treibt. In Baden-Württemberg existierte der EWK nach "taz"-Informationen von 2000 bis 2002, am Ende zählte er laut Verfassungsschutz rund 20 Mitglieder. Aber noch unglaublicher erscheint die Tatsache, dass sich hier deutsche Polizisten tummelten - und dass dies für sie weitgehend folgenlos blieb: Zwar ist die Rede von disziplinarrechtlichen Konsequenzen für die beiden Beamten. Aber ihren Job verloren sie eben nicht.

Aus Sicht des SPD-Innenpolitikers Sebastian Edathy ein Skandal. "Beamte, die Mitglied einer dezidiert antidemokratischen, extremistischen Organisation sind oder waren, müssen aus dem Polizeidienst entfernt werden", sagt der Bundestagsabgeordnete. Edathy ist erschüttert über die Klan-Mitgliedschaft der Beamten. Ähnlich schockiert zeigte sich der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff: "Das hätte ich mir nie vorstellen können." Grünen-Kollege Wolfgang Wieland spricht von "unentschuldbarem Verhalten".

Polizisten plädierten auf naiv

Intern war die Sache schon seit 2003 bekannt. Bei der Durchsuchung der Wohnung des EWK-Chefs in Schwäbisch Hall hatte man Informationen über die temporäre Mitgliedschaft der zwei Polizisten gefunden. Bei dem anschließenden Disziplinarverfahren rechtfertigten sich die Beamten damit, sie hätten erst nach einiger Zeit den wahren Charakter der Organisation erkannt - und seien dann umgehend ausgestiegen: Erst als ein ostdeutscher Neonazi bei einem EWK-Treffen auftrat, der eintätowierte Bilder von Adolf Hitler auf dem Körper trug und betont aggressiv auftrat, sei er hellhörig geworden, berichtete einer der Polizisten.

Einer von ihnen war demnach ein halbes Jahr beim EWK, der andere noch kürzer. Die Disziplinarkommission scheint das Naivitäts-Argument überzeugt zu haben, denn auf einen Rausschmiss verzichtete man.

Doch nun fällt auf die Klan-Vergangenheit der Beamten ein neues Licht - wegen ihrer Verbindungen zur 2007 ermordeten Polizistin Kiesewetter, einer Kollegin der beiden. Einer von ihnen war sogar der unmittelbare Vorgesetzte Kiesewetters bei der Bereitschaftspolizei. Er führte ihre Gruppe von rund zehn Beamten.

Bundesanwaltschaft sieht keinen Zusammenhang zu Kiesewetter-Mord

Besteht also ein Zusammenhang zwischen den beiden Polizisten und dem Verbrechen an Kiesewetter? Immer wieder gab es Spekulationen, dass ihre NSU-Mörder über Insider-Informationen verfügten. Wie die "taz" berichtet, haben die Ermittler dafür keinerlei Hinweise entdeckt. Ein Sprecher der zuständigen Bundesanwaltschaft sagte: "Es gibt keinen einzigen Anhaltspunkt, dass andere Personen oder Organisationen außer den NSU-Mitgliedern an der Tat beteiligt sein könnten, in welcher Form auch immer."

In Stuttgart sorgt der Fall der beiden Klan-Polizisten jetzt für erheblichen Wirbel. Innenminister Reinhold Gall möchte von der Polizei rasch einen neuen Bericht auf dem Schreibtisch haben, Konsequenzen will der SPD-Politiker nicht ausschließen. "Natürlich sind wir alles andere als glücklich über die Sache", sagte ein Sprecher.

Und auch in Berlin will man den Fall nicht auf sich beruhen lassen. Die Mitglieder des NSU-Untersuchungausschusses im Bundestag finden ohnehin eine Menge Informationen über die beiden Ex-EWK-Mitglieder in ihren Akten, denn dort ist alles aus dem Umfeld der NSU-Morde zusammengetragen. So können die Parlamentarier nachlesen, wie einer der beiden von seinem Initierungs-Ritus berichtet: Mit einer Rasierklinge musste er sich demnach in den Finger ritzen, dann bekam er den Ritterschlag.

SPD-Mann Edathy, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, sagt: "Ob es einen Zusammenhang zwischen ihrer Mitgliedschaft im Ku-Klux-Klan und dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter gibt, sei dahingestellt - aber die Mitgliedschaft in solchen Organisationen muss ein absolutes No-Go für Mitarbeiter von deutschen Sicherheitsbehörden sein." Deshalb möchte Edathy das Thema grundsätzlich angehen: "Ich will wissen, ob das Einzelfälle waren."

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