Jakob Augstein

Populismus Von Gauland lernen?

Alexander Gauland hat am Wochenende in der "FAZ" einen Artikel veröffentlicht, in dem er sich zum Populismus bekannte. Die Empörung war groß. Vermutlich, weil der Text nicht nur böse, sondern auch klug war.
Alexander Gauland

Alexander Gauland

Foto: CLEMENS BILAN/ EPA-EFE/ REX/ Shutterstock

Alexander Gauland bekennt sich in der "FAZ" zum Populismus. Das ist mutig.

Vom Autor und von der Zeitung. Populismus war in Deutschland bislang nichts, womit man sich schmückt. Und Gauland als Autor gefällt auch nicht jedem. Nicht mal in der "FAZ". Aber es lohnt sich, durch den sofort aufkommenden Empörungsnebel hindurch genau hinzusehen: Gauland hat nämlich einen klugen Text über die deutsche - und die westliche - Misere geschrieben. Aber aus seinen richtigen Gedanken zur Elitenkritik zieht er dann die falschen Schlüsse.

Wir leben in einer verurteilungsfreudigen Zeit. Es ist keineswegs mehr selbstverständlich, sich mit Gedanken zu befassen, die man ablehnt. Bei der AfD fällt das besonders schwer. Es handelt sich um eine rechte, in Teilen rechtsextreme Partei. Sie lebt vom Ressentiment. Sie sät den Hass. Sie schürt die Furcht vor dem Islam und die Verachtung für die Muslime. Und sie gibt Holocaust-Verharmlosern und Antisemiten eine politische Heimat - auch wenn sich nun eine jüdische Gruppe in der AfD gegründet hat.

Aber mit all dem ist sie - jedenfalls wenn es um die Entwicklung geht - die zurzeit erfolgreichste Partei Deutschlands. Wenn der Chef dieser Partei seinen Erfolg analysiert, sollte man aufmerksam zuhören.

Gauland erklärt den modernen Populismus als Reaktion auf die Globalisierung. Es habe sich eine neue Elite gebildet, "man könnte auch von einer neuen Klasse sprechen": Menschen aus der Wirtschaft, der Politik, dem Unterhaltungs- und Kulturbetrieb, die in den internationalen Unternehmen arbeiten, den Medien, den NGOs, die in den großen Städten leben, die mobil sind, die sich auskennen, die heute hier sind und morgen da - überall zu Hause, aber nicht mehr in ihrer Heimat.

"Der Regen, der in ihren Heimatländern fällt, macht sie nicht nass", schreibt Gauland und da merkt man plötzlich, dass er über das Leben dieser Menschen mit einer eigenartigen Poesie schreibt, aus der gar nicht Verachtung oder Unverständnis spricht, sondern beinahe eine traurige Sehnsucht.

Diesen Globalisten stellt Gauland die Anhänger der AfD gegenüber: Menschen aus der bürgerlichen Mittelschicht, auch den Mittelstand, und die sogenannten einfachen Menschen. Diese Gruppen würden geeint durch die Bedeutung, die sie der Heimat geben und durch ihre Empörung darüber, dass für Bankenkrise und Migration kurzerhand "Abermilliarden" an Steuergeldern ausgegeben worden seien.

Bis hierhin stellt Gauland auch den abgeneigten Leser vor ein großes Problem: Man muss ihm zugestehen, dass er die Schwerkräfte richtig beschrieben hat, die an den westlichen Gesellschaften zerren. Natürlich irrt er kolossal, wenn er den deutschen Mittelstand pauschal zu den Globalisierungsverlierern zählt. Im Gegenteil: Dem Mittelstand ist das Kunststück gelungen, aus der heimatlichen Kleinstadt den Weltmarkt zu erobern. Aber das nur am Rande.

Gaulands Schlüsselsätze haben es in sich: "Es war eine Konstellation, die nach einer Fundamentalopposition verlangte. Diese Opposition konnte von rechts und links kommen, aber sie musste notwendig populistisch sein.

Populistisch heißt: gegen das Establishment." Und dann schiebt er noch hinterher: "Frau Wagenknecht hat das begriffen."

Das ist ziemlich fies. Einmal weil er die Linken hier ganz offensichtlich in sein brackiges Fahrwasser ziehen will - das freut jene, die vor einer angeblichen "Querfront" aus ganz rechts und ganz links warnen, obwohl auf der Linken weit und breit niemand zu sehen ist, der sich dafür hergeben würde.

Fies ist es aber auch deshalb, weil Gauland mit Genuss in der linken Wunde bohrt: "Diese Opposition konnte von rechts und links kommen, aber sie musste notwendig populistisch sein." Da hat der Mann schlicht recht.

Es war das scheinliberale Mitte-zentrierte politische System, das die Globalisierungsgewinne so ungleich verteilt hat - oder diese Verteilung zumindest geduldet hat. Die Reaktion darauf musste sich also notwendigerweise aus diesem Konsens der Mitte lösen. Das könnte bis aufs Wort auch von Chantal Mouffe stammen, einer anderen großen Populismus-Predigerin, aber eben eines linken Populismus.

Und der Unterschied zwischen rechts und links besteht nicht nur darin, dass Mouffe ihr neues Populismus-Buch gerade bei Suhrkamp veröffentlicht hat - während Gauland, wäre er ein Autor und kein Politiker, vermutlich lieber im rechten Antaios Verlag publizieren würde.

Der Unterschied besteht in der Bedeutung, die das Wort Heimat hat.

Gauland ist ein Rechter. Heimat ist darum sein Schlüsselwort. Es erscheint ihm ganz natürlich, dass sich Menschen, die in der Globalisierung die Orientierung verlieren, an ihre Heimat klammern und sie gegen alles, was da kommt und droht verteidigen wollen. Vielleicht ist es natürlich. Aber es ist nicht klug.

Der linke Schlüsselbegriff lautet dagegen Gerechtigkeit.

Man kann versuchen, sich an die Heimat zu klammern - oder man kann die Welt umfassen. Man kann sich zu Hause verkriechen oder rausgehen und für Gerechtigkeit kämpfen. Der eine Weg führt rechts rum. Der andere links.

Der linke Weg ist der anstrengendere.

Die Linke muss die Schmach ertragen, dort versagt zu haben, wo die Rechten reüssierten: Unmut, Zorn, Enttäuschung, Unzufriedenheit über die schlechter werdenden Verhältnisse einzusammeln und daraus neue Stärke und politische Kraft zu schöpfen.

Einen erfolgreichen, linken Populismus sucht man vergeblich.

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