Powell in Berlin eingetroffen Kurzer Besuch, hohe Erwartungen
Berlin - Immerhin: Die äußeren Bedingungen waren freundlich. Die Sonne schien, als die Boeing mit Colin Powell kurz vor 17.00 Uhr in Berlin-Tegel landete. Als der US-Außenminister dann wenig später die Gangway hinunter ging, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Keine Frage: Powell, empfangen von US-Botschafter Daniel Coats, war sichtlich gut gelaunt.
Zuletzt war Colin Powell im Mai vergangenen Jahres in Tegel gelandet - an Bord der Air Force One zusammen mit dem US-Präsidenten George W. Bush. Noch auf dem Rollfeld hatte er Journalisten zu Fragen aufgefordert - doch die brachten damals vor Überraschung kein Wort heraus.
Derartige Sprachlosigkeit dürfte Powell diesmal kaum erwarten. Ein Jahr nach seinem letzten Aufenthalt in Berlin gibt es einfach zu viele Fragen: Wie lassen sich die transatlantischen Verstimmungen beheben? Welchen Kurs steuert die Bundesregierung in der Uno hinsichtlich der Irak-Sanktionen? Wird sich die Bundeswehr an friedenssichernden Einsätzen beteiligen? Und vor allem: Wie stehen die Aussichten für ein persönliches, klärendes Gespräch zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush? Schon jetzt ist der Besuch Powells, der am Freitagvormittag mit dem Kanzler und danach mit dem Außenminister zusammenkommt, symbolisch aufgeladen wie kaum ein Besuch eines US-Außenministers zuvor. Das macht die Lage für die Regierung in Berlin nicht unbedingt leichter.
Wiederannäherung Schritt um Schritt, ohne Gesichtsverlust, lautet die Devise. Dies ist die Hoffnung Berlins anlässlich des Powell-Besuchs. Gerhard Schröder gab vergangene Woche in einer selbstbewussten Rede vor der "American Chamber of Commerce" in Berlin das Motto vor: "Never explain. Never complain" - keine Rechtfertigungen, keine Beschwerden. Powells Reaktion in der Hauptstadt wird zeigen, ob die Amerikaner so einfach umschwenken und sich dem neuen deutschen Pragmatismus "Was war, ist gewesen" anschließen.
Geduld ist angesagt. "Powells Besuch ist ein weiterer Schritt in einem längeren Prozess, die Zusammenarbeit zu intensivieren, nachdem eine neue Situation entstanden ist - auch in Bezug auf die neuen Herausforderungen, die sich aus der Lage im Irak ergeben", erklärt der Koordinator für deutsch-amerikanische Beziehungen im Auswärtigen Amt, Karsten D. Voigt. Dabei würden die gegensätzlichen Auffassungen zum Irak-Krieg nicht verwischt, so der Sozialdemokrat zu SPIEGEL ONLINE.
Wie sehr der deutschen Seite an einer Verbesserung des transatlantischen Klimas gelegen ist, zeigen auch die persönlichen Anstrengungen des Kanzlers. Für ein Treffen mit Powell im Kanzleramt verkürzte Schröder seine Asienreise und kehrt am Freitagmorgen in aller Frühe ins Kanzleramt zurück, um wenig später mit Powell zusammenzukommen. Eine symbolische Geste, die den Amerikanern nicht entgangen ist.
Nach vorn soll in den Gesprächen geblickt werden - insbesondere was den Irak angeht. Deutschland sei daran interessiert, "einen pragmatischen, konstruktiven Beitrag zu einem Herangehen an die Dinge zu ermöglichen, der die wichtige Rolle der Vereinten Nationen im Rahmen des Wiederaufbaus des Irak festlegt", hieß es kürzlich in Regierungskreisen. Der Wunsch der CDU/CSU für einen militärischen Beitrag der Deutschen im Irak - im Rahmen der Nato und als Auftragnehmer der Uno, wie es ihr außenpolitischer Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger am Donnerstag noch einmal verlangte - dürfte es so bald aber nicht geben.
Erst kürzlich war bei einem Besuch hochrangiger Regierungsbeamter aus Berlin in den USA die Frage einer Entsendung der Bundeswehr kein Thema. Zumindest nicht, wie es einschränkend hieß, "in der derzeitigen Phase". Deswegen, so hieß es im Vorgriff auf den Powell-Besuch, "brauchen wir uns über diese Frage nicht zu unterhalten, jedenfalls nicht im Augenblick." Aus deutscher Sicht fehlen hierfür schlichtweg die Vorraussetzungen völkerrechtlicher Art: ein Beschluss des Uno-Sicherheitsrates. Zudem müsste auch der Bundestag einer Entsendung deutscher Soldaten zustimmen. Das aber dürfte in der rot-grünen Koalition kaum vermittelbar sein.
In der jetzigen Phase, angesichts einer dramatischen Haushaltslage und interner SPD-Streitigkeiten über die Reformagenda 2010, wäre ein Kursschwenk in Sachen Irak für Schröder wohl fatal. Derzeit, wie eine Lieblingsvokabel in Berliner Regierungskreisen heißt.