PR-Panne Warum die neue Regierung noch für Schröder wirbt
Berlin - Angela Merkel kennt sich in den Feinheiten des Bundespresseamtes eigentlich sehr gut aus. Bevor die ostdeutsche Politikerin ihre steile Karriere in der CDU startete, amtierte sie als stellvertretende Sprecherin der letzten DDR-Regierung unter Lothar de Maizière. Folglich sollte sie nach der Vereinigung im Herbst 1990 in das westdeutsche Amt zuständig für die Regierungsreklame übernommen werden. Merkel aber zog lieber in die Politik als in die Werbung.
Auch 15 Jahre später, mittlerweile ist Merkel Kanzlerin und die Mammut-Behörde quasi ihre eigene PR-Abteilung im Berliner Machtapparat, ist sie von der Wichtigkeit der Amts-Mission noch immer fest überzeugt. "Gute Politik, nicht vermarktet, erreicht niemanden und zeigt auch keine Wirkung", versicherte sie vor wenigen Wochen im Kreise der alten und neuen Amtsführung. Folglich wünschte sie dem neuen Regierungssprecher Ulrich Wilhelm viel Glück bei der Nachfolge des meist etwas blassen Bela Anda, der einige Jahre für Gerhard Schröder (SPD) sprach.
Irgendwie aber will es mit der Verkaufe der Politik der neuen und großen Koalition nicht so richtig losgehen. Wohl am besten zeigt sich das vor der Zentrale des Bundespresseamtes am Schiffbauerdamm mitten im Berliner Regierungsviertel. Fast wirkt es dort, als ob sich seit den Neuwahlen nichts geändert hätte. Von zwei großen Plakaten schaut ein Kind die flanierenden Touristen an. Über ihm prangt das Motto "Bildung fördern", darunter werden dann "vier Milliarden Euro für Ganztagsschulen" versprochen und das ganze mit dem Spruch "Deutschland bewegt sich" abgerundet.
Prinzipiell passt das Plakat ganz gut in die neue Familienfreundlichkeit der schwarz-roten Koalition von Angela Merkel. Und doch hat die Eigenwerbung einen eklatanten Schönheitsfehler: Ganz unten auf dem Plakat steht links neben dem Zeichen des Bundesregierung auch noch in rot "Agenda 2010", der Titel des letzten Versuchs der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder zum Kurswechsel für Deutschland. Faktisch wirbt die Kommunikationsabteilung von Merkel und Müntefering so für den abgewählten und abgetretenen Kanzler.
Die Nachfrage im Amt nach dem Relikt aus der Vergangenheit ergibt ein erstaunliches Ergebnis. Ein bisschen verlegen gesteht ein Sprecher ein, dass man schlicht noch keine neuen Plakate für die beiden Stellwände habe. Daran werde gearbeitet. Spätestens in einigen Monaten aber sollen die Werbeplakate für Schröders Deutschland-Kurprogramm dann durch neue Annoncen für die schwarz-rote Regierung ausgetauscht werden, kündigt er an - vermutlich mit einer Kampagne zum "Land der Ideen" zur Fußball WM im Sommer 2006.
Ob das Presseamt seine Ziele erreichen kann, ist mehr als fraglich. Pünktlich zum Ende des Jahres 2005 lief der Vertrag mit der Berliner Agentur "Zum Goldenen Hirschen" aus. Seitdem ist der Werbe-Etat für die Regierungsmannschaft vakant, heißt es in Werberkreisen. Konkret bedeutet dies, dass bisher keine Werbeagentur an einer neuen Kampagne arbeitet. Nun muss der Etat europaweit ausgeschrieben werden. Bis zu einem endgültigen Auftrag vergehen nach Erfahrung von Profis etwa drei Monate, erst dann kann eine Agentur mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Bis zur WM wird es so reichlich eng, vermuten führende Werber der Hauptstadt.
Wirklichen Druck wird Angela Merkel wohl nicht auf ihr Amt machen. Nach einem furiosen Start mit freundlichem Empfang in Washington, Beilegung einer EU-Krise und der deutschen Führungsrolle im Atom-Streit mit Iran kann sich die Kanzlerin in nie gekannten Beliebtheitswerten von 80 Prozent sonnen. An den Werten, die selbst Medien-Kanzler Gerhard Schröder nie erreicht hat, ändert auch die Schleichwerbung für die obsolete "Agenda 2010" nichts. Schröder hingegen kann sich bei einem Spaziergang in Berlin-Mitte noch mal freuen. Vor dem Bundespresseamt gehören er und seine Visionen noch nicht der Vergangenheit an.