Presseschau "Hamburg wird die Bundespolitik nachhaltig beeinflussen"

Hat das Wahlergebnis in Hamburg bundespolitische Bedeutung? Das ist die Kernfrage, mit der sich die Tageszeitungen am Montag in ihren Kommentaren befassen.  Ein Überblick über die Meinungen:

"Frankfurter Rundschau":

"Die Lehre aus dieser Wahl ist nicht das Scheitern von Schwarz-Grün, sondern die Bedeutung von politischer Führung. Ohne Ole von Beust lief das von ihm befehligte Schiff komplett aus dem Ruder. Scholz wiederum als Nachfolger ist offenbar der richtige Mann am richtigen Ort. (...) Ausgerechnet in der Stadt, in der die direkte Demokratie dem Polit-Establishment eine der empfindlichsten Niederlagen beibrachte, behauptet sich das Personalprinzip in der Politik - nicht in Guttenberg-Manier mit Schloss, Adelstitel (ererbt) und Doktorgrad (womöglich erschlichen), sondern mit der unglamourösen Attitüde eines sorgsamen, emsigen Sachwalters des Gemeinwesens. In Hamburg kann man damit 'Erster Bürgermeister' werden, im Bund Kanzler."

"Stuttgarter Nachrichten":

"Das Hamburg sozialdemokratisch regiert wird, ist keine Sensation, sondern der Normalfall. Und ein Linksruck ist damit schon gar nicht verbunden. Scholz hat die Wahl gewonnen, in dem er in die Mitte gerückt ist und sich als wirtschaftsfreundlicher, pragmatischer Politiker präsentiert hat. Daran werden ihn die Hamburger nun messen."

"Kölner Stadt-Anzeiger":

"Hamburg wird die Bundespolitik nachhaltig beeinflussen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre schwarz-gelbe Koalition in Berlin müssen sich nun darauf einrichten, dass sie die Mehrheit im Bundesrat auf absehbare Zeit nicht wiedererlangen können. (...) Die SPD wird ihre Macht nutzen. Bundesweit hat sie klägliche Umfrageergebnisse. Und dennoch bleibt sie eine bestimmende Kraft in Deutschland. Es bleibt dabei: In Deutschland stehen sich zwei politische Lager gegenüber: Schwarz-Gelb und Rot(rot)-Grün. Die FDP erwägt zwar bisweilen aus taktischen Gründen einen Blick über den Zaun, nicht aber aus inhaltlichen. Doch der Machtwechsel in Hamburg zementiert die Verhältnisse."

"Frankfurter Allgemeine":

"Seit Sonntag ist die CDU in Hamburg wieder das, was sie jahrzehntelang war: eine Partei ohne Macht und ohne Perspektive - und das weit über Hamburg hinaus. Denn gescheitert ist nicht nur die erste schwarz-grüne Landesregierung, sondern der erste großangelegte Versuch, die Union im Bündnis mit den Grünen für jüngere und urbane Wählergruppen anziehend zu machen. (...) Soweit ist das Ergebnis vom Sonntag allerdings Kommunalpolitik pur. Die CDU aber haben die Bürger in einer Weise niedergestimmt, die die ganze Union in tiefes Grübeln stürzen muss: Wie könnte eine moderne Großstadtpartei der rechten Mitte aussehen, die nicht ständig nach den Grünen schielt?"

"Tageszeitung":

"Der Absturz der CDU hat drei Gründe: Das Fiasko der schwarz-grünen Schulreform hat die CDU härter getroffen als die Grünen. Ole von Beusts hastiger Rückzug und sein ungeschickter Nachfolger komplettierten das Bild. Wahrscheinlich hatte der weltoffene von Beust nur verdeckt, dass die CDU in urbanen Zentren noch immer fremdelt. Angela Merkel und der Frust über Schwarz-Gelb in Berlin haben mit Ahlhaus Absturz wenig zu tun."

"Main-Post":

Sozialdemokraten können wieder Wahlen gewinnen. Sogar mit einer im Fünf-Parteien-System nicht mehr für möglich gehaltenen absoluten Mehrheit. Hamburg wurde zum Traumstart für die SPD in den Landtagswahlmarathon 2011. Viel Pragmatismus, Entschiedenheit und ordentliches Regieren versprach Scholz den Hamburgern, gepaart mit einem wirtschaftsfreundlichen Kurs. Damit und mit seiner Geradlinigkeit hat er die Wahlen in der bürgerlichen Mitte der Hansestadt gewonnen. Will die SPD diesen Erfolg auf andere Wahlen übertragen, muss sie selbst wieder geradlinig werden.

ler/AFP/dpa
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