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Gesetze »Problematische Regelung«

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 70 (FDP), über eine umstrittene Gesetzesänderung.
Ein Interview von Dietmar Hipp
aus DER SPIEGEL 51/2021
Foto:

Jürgen Heinrich / IMAGO

SPIEGEL: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, der Bundespräsident prüft schon seit Monaten, ob es verfassungskonform ist, dass rechtskräftig freigesprochenen Mordverdächtigen bei Vorliegen neuer Beweise nochmals der Prozess gemacht werden könnte. Sie hatten ihn – mit anderen – öffentlich aufgefordert, das entsprechende Gesetz der Großen Koalition nicht auszufertigen. Werten Sie die lange Prüfungsdauer als gutes Zeichen?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es zeigt jedenfalls, dass der Bundespräsident den Vorgang ernst nimmt. Es gab schon beim Gesetzgebungsverfahren schwere Bedenken. Der Grundsatz »ne bis in idem«, dass man nicht zweimal wegen der gleichen Sache vor Gericht gestellt werden darf, hat hohes Gewicht.

SPIEGEL: Es haben sich aber auch viele Sachverständige dafür ausgesprochen, dass das bei Mord sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch trotzdem geht.

Leutheusser-Schnarrenberger: Das ändert nichts daran, dass es hier gewichtige Gegenargumente wie die Rechtssicherheit gibt. Vor allem, dass in einen Kernbereich dieses Grundsatzes eingegriffen wird. Damit hätte es eine Verfassungsänderung gebraucht, nicht nur ein einfaches Gesetz.

Aus: DER SPIEGEL 51/2021

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SPIEGEL: Wäre nicht auch denkbar, dass die Ampel nun die Änderung einfach zurücknimmt, auch wenn im Koalitionsvertrag dazu nichts steht?

Leutheusser-Schnarrenberger: In den ersten Tagen der neuen Regierung wäre das als eine Art Schnellschuss nicht angebracht. Die Koalitionsfraktionen im Bundestag könnten aber dem Bundespräsidenten signalisieren, auch mit einem förmlichen Beschluss, dass sie sich mit dieser Gesetzesänderung in Ruhe nochmals befassen wollen, und deshalb bitten, bis dahin die Ausfertigung zurückzustellen.

SPIEGEL: Ginge das so einfach?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es gibt für die Ausfertigung keine Frist. Das würde jedenfalls die Debatte erleichtern und entspannen. Der Bundespräsident könnte auch den Bundestag auffordern, sich noch einmal mit dieser problematischen Regelung zu befassen.

SPIEGEL: Und wenn der Bundespräsident das Gesetz nun doch ausfertigt?

Leutheusser-Schnarrenberger: Dann dürfte es wahrscheinlich beim Bundesverfassungsgericht landen.

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