Prozess in Düsseldorf Alle mutmaßlichen Sauerland-Terroristen wollen gestehen
Düsseldorf - Im Sauerland-Prozess wollen alle vier mutmaßlichen Terroristen überraschend Geständnisse ablegen. Dies kündigten die Angeklagten im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts zum Teil selbst, zum Teil über ihre Anwälte an. Es werde Überraschungen geben und es werde spannend, kündigten die Anwälte an.

Angeklagter Daniel Schneider "Wann ist es sinnvoll, dass alle aussagen?"
Foto: DDPAm Dienstagmorgen hatte zunächst Adem Yilmaz ein umfassendes Geständnis angekündigt und um ein Gespräch mit den anderen Angeklagten gebeten. Das Gericht und die Bundesanwaltschaft stimmten dem zu. Bei dem Gespräch hätten sich die vier Angeklagten auf eine gemeinsame Linie geeinigt, sagte Ricarda Lang, die Verteidigerin von Yilmaz.
Yilmaz' Vorstoß erklärte seine Anwältin so: "Er ist nicht in der Lage, dem Prozess hier standzuhalten. Er begreift die juristischen Hintergründe nicht. Er hat keine Lust mehr, ihm ist langweilig." Auf keinen Fall wolle er, dass im Ramadan verhandelt wird, der in diesem Jahr Ende August beginnt.
Gegen Yilmaz hatte das Gericht mehrfach Ordnungshaftstrafen verhängt. Grund waren Zwischenrufe, eine Drohung und die Weigerung, sich vor dem Senat zu erheben. Er erklärte jetzt, es mache keinen Sinn, weiter zu schweigen, um dann im Urteil die "volle Packung" zu erhalten. Die Mitangeklagten Attila Selek und Daniel Schneider dächten genauso. Bislang hatten die Angeklagten jegliche Aussage in dem Terror-Prozess verweigert.
Yilmaz will sein Geständnis außerhalb des Gerichtssaals gegenüber BKA-Beamten ablegen. Die Polizisten würden dann später im Prozess als Zeugen gehört. Der Angeklagte Selek will dagegen vor Gericht aussagen.
Der mutmaßliche Rädelsführer Fritz Gelowicz kündigte persönlich ein umfassendes Geständnis an: "Ich werde gestehen, was es zu gestehen gibt." Es werde dabei auch Überraschungen geben, ergänzte sein Anwalt Dirk Uden. Der Anwalt von Atilla Selek, Axel Nagler, erklärte, sein Mandant werde "alle Karten auf den Tisch legen". Das Gericht gab den Angeklagten zur Vorbereitung ihrer Geständnisse Zeit und will erst in der übernächsten Woche weiter verhandeln.
Der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling betonte, dass das Gericht nur an umfassenden Geständnissen interessiert sei: "Alle Karten auf den Tisch - und zwar offen, nicht gezinkt." Bundesanwalt Volker Brinkmann betonte, dass der Zug für einen spürbaren Strafnachlass durch ein Geständnis angesichts der erdrückenden Beweisfülle "bald abgefahren" sei. Für den Prozess - eines der größten Terrorismusverfahren seit RAF-Zeiten - waren bislang zwei Jahre vorgesehen. Geständnisse würden das Verfahren erheblich abkürzen.
Dass die Angeklagten ein Geständnis oder zumindest eine Aussage erwägen, war Mitte Mai bekanntgeworden, als bei Daniel Schneider ein an Yilmaz gerichteter Brief sichergestellt wurde. "Wann ist es sinnvoll, dass alle schweigen oder aussagen?", hieß es in dem Kassiber.
Den insgesamt vier Beschuldigten wird vorgeworfen, eine Terrorzelle der Islamischen Dschihad Union (IJU) gebildet und in Deutschland schwere Anschläge mit Autobomben geplant zu haben. Laut Anklage wollten sie zeitgleich in Kneipen, Discotheken und auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein möglichst viele Amerikaner töten. Mit den Anschlägen wollten sie offenbar die kurz darauf anstehende Entscheidung des Bundestags über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes beeinflussen.
Die Männer hatten sich zwölf Fässer mit der Chemikalie Wasserstoffperoxid beschafft und in einer Ferienwohnung im sauerländischen Oberschledorn damit begonnen, daraus Sprengstoff herzustellen. Drei der Islamisten waren am 4. September 2007 in der Ferienwohnung von der Anti-Terror-Spezialeinheit GSG 9 festgenommen worden, ein vierter wurde später in der Türkei verhaftet.