Zur Ausgabe
Artikel 15 / 67
Alexander Neubacher

Radikale Klimaschützer Fridays for Terror

Muss ich befürchten, dass meine Kinder zu Terroristen werden, wenn sie demnächst wieder bei »Fridays for Future« mitgehen?
aus DER SPIEGEL 48/2021
Polizisten und Demonstranten beim Braunkohle-Tagebau Garzweiler

Polizisten und Demonstranten beim Braunkohle-Tagebau Garzweiler

Foto: Tim Wagner / imago images/Tim Wagner

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Fliegen demnächst Braunkohlebagger in die Luft? Ich stelle mir diese Frage, seit ich vor einigen Tagen ein SPIEGEL-Interview mit dem Aktivisten Tadzio Müller , 45, las. »Zerdepperte Autoshowrooms, zerstörte Autos, Sabotage in Gaskraftwerken oder an Pipelines. Das wird es nächsten Sommer auf jeden Fall geben«, sagt Müller. »Wer Klimaschutz verhindert, schafft die grüne RAF. Oder Klimapartisanen. Oder Sabotage for Future. Wie auch immer sie sich dann nennen.«

Nun muss man nicht alles wörtlich nehmen, was ein Berufsaktivist erzählt, der sich im Kampf gegen das Schweinesystem seit Jahren von Polizisten wegheben lässt. Vieles ist nur PR. Doch tatsächlich hat sich ein Teil der Klimaschutzbewegung nicht nur verbal radikalisiert.

Baumbesetzer im Hambacher Forst warfen Molotowcocktails und Kot auf heranrückende Polizisten. Die Anti-Kohle-Bewegung »Ende Gelände« wird vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet, er hält sie für linksextrem. Ein aktueller Bestseller in der Szene heißt »Wie man eine Pipeline in die Luft jagt«; der schwedische Autor Andreas Malm träumt darin von einem »ökologischen Leninismus«, Gedanken, die man, so die »taz«, ernst nehmen sollte. Muss ich befürchten, dass meine Kinder zu Terroristen werden, wenn sie demnächst wieder bei »Fridays for Future« mitgehen?

Die einen werfen mit Kot, die anderen behandeln Olaf Scholz, als wäre er ein deutscher Donald Trump.

Vor zwei Wochen trafen sich Aktivistinnen und Aktivisten mit Deutschlands angehendem Bundeskanzler zu einem Gespräch, das sie mit einem Hungerstreik durchgesetzt hatten. Sie stellten ein Ultimatum. »Bis Ende des Jahres« habe Olaf Scholz Zeit, ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung zu verabschieden sowie gegen klimaschädliche Landwirtschaft vorzugehen. Andernfalls werde man Deutschland »zum Stillstand bringen«, durch einen »Aufstand der letzten Generation«.

Erstaunlicherweise eskaliert hier die Stimmung zu einem Zeitpunkt, an dem die Bewegung Erfolg hat. Die Aktivisten behandelten Scholz, als wäre er ein deutscher Donald Trump und nicht der erste deutsche Kanzler, der Klimaschutz im Koalitionsvertrag zur »obersten Priorität« erklärt. Greta Thunberg warf dem Klimagipfel in Glasgow vor, er zelebriere »business as usual und Blablabla«, dabei gab es Fortschritte bei Kohleausstieg, Methan-Vermeidung, Schutz von Wäldern. Während Ökoaktivisten von Lenin fantasieren, straft der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock Unternehmen ab, die ihre CO2-Bilanz vernachlässigen.

Woher also die Wut? Womöglich liegt es auch am Untergangssound, der die Debatte in Politik und Medien beherrscht. Wenn deutsche Kommunen den »Klimanotstand« ausrufen und Leitartikler den Waldbrand in Kalifornien zum Weltenbrand erklären, ist es kein Wunder, wenn Aktivisten auf die Idee kommen, dass friedlicher Protest zu wenig ist.

Es reicht, den Klimawandel als »Klimakrise« zu bezeichnen, es braucht keine »Klimakatastrophe«. Wer keinen Terror for Future will, sollte sprachlich abrüsten.

Zur Ausgabe
Artikel 15 / 67
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren