RAF und Justiz Buback klagt Bundesanwälte an

Es ist die bittere Bilanz eines Mannes, der nach Aufklärung verlangt - sie aber wohl nie bekommen wird. Michael Buback, Sohn des von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts, schildert in einem Buch seine privaten Nachforschungen zum Attentat: Er wirft den obersten Ermittlern "Verrat" vor.

Berlin - Es war der Abend des 30. März 2007, als die Gespenster der Vergangenheit Michael Buback einholten. Der Professor für Physikalische Chemie war gerade aus Neuseeland in sein Domizil unweit von Göttingen heimgekehrt.

Das Telefon klingelte, aber er wollte – von der langen Reise erschöpft – nicht abheben. Das übernahm seine Tochter, doch sie drückte dem Vater kurz darauf den Hörer in die Hand. "Peter Boock", flüsterte sie. Das Telefonat mit dem Ex-RAF-Terroristen dauerte mehr als zwei Stunden.

Es wurde für Buback zu einem Wendepunkt. Ein "Kommando Ulrike Meinhof" der Roten Armee Fraktion (RAF) hatte im April 1977 seinen Vater, den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, und dessen zwei Begleiter in Karlsruhe erschossen. Viele Jahre hatte der Sohn seitdem geglaubt, Bundesanwälte und Richter hätten ordentlich ermittelt. Doch diese Annahme erwies sich als trügerisch.

Boock erklärte ihm in jenem Telefonat, die tödlichen Schüsse vom Motorrad hätten nicht die für das Attentat verurteilten RAF-Männer Knut Folkerts und Christian Klar abgefeuert. Auf dem Motorrad seien vielmehr Boocks Mitkämpfer Günter Sonnenberg und Stefan Wisniewski gesessen.

Der Anruf von Boock elektrisierte Buback. Er verwandelte ihn in einen privaten Ermittler, der mit der Akribie eines Naturwissenschaftlers einen komplexen Fall analysiert. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen präsentiert der Professor nun in dem Buch "Der zweite Tod meines Vaters"*, das diese Woche erscheint. Es ist die bittere Bilanz eines Mannes, der nach Aufklärung verlangt, aber sie wohl nie bekommen wird.

Vom Anhänger zum scharfen Kritiker der Bundesanwaltschaft

Detailliert beschreibt Buback seine Wandlung vom Anhänger der Bundesanwaltschaft zu einem scharfen Kritiker. Desillusioniert erhebt er Anklage. Er spricht vom "Schutz für Täter" und von "haarsträubenden Fehlern und Mängeln" bei den Ermittlungen.

Denn nach Boock meldete sich bei Buback ein Zeuge, der den Professor in seinen Zweifeln bestärkte. Am Vortag des Attentats habe er in Karlsruhe zwei Personen auf dem späteren Tat-Motorrad sowie in deren Nähe auch Siegfried Buback beobachtet; das hatte er damals der Polizei erklärt. Auf dem Soziussitz habe eine Frau gesessen. Doch zu Gegenüberstellungen mit Verdächtigen oder als Zeuge bei Gerichtsverhandlungen wurde er nicht geladen.

Buback arbeitete sich immer tiefer in den Fall Buback ein. Er besorgte sich die Aussage eines Augenzeugen des Verbrechens: Auch der sprach von einer schmalen Person auf dem Rücksitz, von einer Frau.

Warum, fragte sich Buback nun, war die RAF-Frau Verena Becker nie für die Morde angeklagt worden? Immerhin hatten Polizisten sie fast vier Wochen nach dem Attentat mit der Tatwaffe festgenommen. Die Ermittlungen gegen sie wurden dennoch eingestellt. Schließlich suchte Buback den einstigen Chef des Bundeskriminalamtes auf, Horst Herold. Der bestärkte ihn in seinem Verdacht gegen die RAF-Frau. Herold befand, dass Buback "auf der richtigen Spur sei".

Nicht immer stieß Buback auf Verständnis. Die Generalbundesanwältin Monika Harms traf er bei einer Gedenkveranstaltung für RAF-Opfer. Er beklagte sich, dass ein Schreiben an sie über Monate unbeantwortet geblieben war. "Man hat doch mit Ihnen geredet", konterte Harms bestimmt, "Sie sind doch vernommen worden." Buback schreibt dazu: "Das hätte sie lieber nicht sagen sollen."

"Deckung und Schonung" für die Täter

Eindringlich schildert der Professor in seinem Buch, wie er den Glauben an die Ermittler endgültig verlor, als er von einem Dossier des Verfassungsschutzes erfuhr. Gegenüber dem Geheimdienst hatte Verena Becker unter anderem Stefan Wisniewski als Todesschützen von Karlsruhe benannt. Der Generalbundesanwalt Kurt Rebmann leitete dennoch keine Ermittlungen gegen Wisniewski ein. Dies zu erfahren, "ging nun über die Grenzen des Erträglichen hinaus", sagt Buback. Er spricht von "Deckung und Schonung" für Täter und von "Verrat an meinem Vater".

Mit seiner vehementen Anklage ist Buback untypisch für die Angehörigen der 33 RAF-Todesopfer. Die meisten leiden still darunter, dass RAF-Mitglieder wie Ulrike Meinhof mystifiziert, aber ihre Opfer vergessen werden.

Er könne "nicht erwarten, dass es noch nennenswertes Interesse an einer Aufklärung gibt", sagt Buback. Große Hoffnungen, dass die Bundesanwaltschaft die Wahrheit über das Verbrechen ans Licht bringen werde, macht er sich nicht mehr.

Buback schreibt einsam gegen das Schweigen der Ermittler und Täter an. Was in ihm dabei vorgeht, zeigen die Zeilen, die er seiner Abrechnung vorangestellt hat: "Meiner Mutter gewidmet, die zwei für sie wichtige Menschen durch Gewalt verloren hat: ihren Vater im Zweiten Weltkrieg und ihren Mann in scheinbarer Friedenszeit, und die bei beiden die genauen Umstände des Todes nicht kennt."

Inge Buback, seine inzwischen 88-jährige Mutter, habe angesichts der Ungereimtheiten bei den Ermittlungen einmal gesagt: "Man wird vielleicht irgendwann noch behaupten, es sei Selbstmord gewesen."

* Michael Buback: "Der zweite Tod meines Vaters". Droemer Verlag, München; 368 Seiten; 19,95 Euro.

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