Ramsauer in Erklärungsnot Minister im Sinkflug

Deutschlands oberster Fluglotse gerät in Bedrängnis: Verkehrsminister Ramsauer muss begründen, warum vollbesetzte Flugzeuge plötzlich durch die Aschewolke düsen durften - auf Sicht. An Erklärungen mangelt es dem CSU-Politiker.
Bundesverkehrsminister Ramsauer: Keine Versuchskaninchen

Bundesverkehrsminister Ramsauer: Keine Versuchskaninchen

Foto: Tobias Hase/ dpa

Winfried Hermann

Peter Ramsauer

Berlin - Irgendwann hält es nicht mehr aus. Der Grünen-Abgeordnete drückt den vor ihm stehenden sanft zur Seite. "Entschuldigen Sie, Herr Minister, wenn ich mich kurz einschalte", sagt Hermann und schiebt sich neben den gut einen Kopf größeren CSU-Politiker. "Oh, Herr Vorsitzender", sagt Ramsauer und macht ein wenig Platz im Gedränge der Kameramänner und Reporter. Denen will Hermann die Sache jetzt mal erklären. Weil der Minister das nicht hinbekommt.

Vulkan

Hermann ist Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestages. Der hat gerade hinter verschlossenen Türen getagt, und sich vom zuständigen Minister und Experten das Luftfahrtchaos erläutern lassen, für das ein feuerspeiender isländischer Gletscher- seit einigen Tagen sorgt. Jetzt stehen Ramsauer und Hermann vor der Tür des Sitzungssaales im Berliner Paul-Löbe-Haus, und die Journalisten wollen wissen, was da am Himmel über Deutschland gerade passiert.

Lufthansa

Dort ist nämlich am Dienstag wieder allerhand Betrieb, trotz der zu diesem Zeitpunkt geltenden offiziellen Sperre bis Mittwochfrüh. Die Fluggesellschaften starten und landen, holen "im kontrollierten Sichtflug" Tausende gestrandete Reisende nach Hause - und zwar nicht unter der Aschwolke her oder um sie herum, sondern mittendurch. "Natürlich fliegen wir da durch", sagt -Sprecher Andreas Bartels. "Wir fliegen genau so wie immer."

Passagiere als Versuchskaninchen?

Wie passt das zusammen? Ramsauer, der sich selbst als "konstruktiven Schrittmacher" bezeichnet, wenn es darum geht, wieder Ordnung in das Chaos zu bringen, windet sich. "Die Sicherheit steht an oberster Stelle", wiederholt der CSU-Politiker sein Mantra der letzten Tage. Er spricht von der letzten Verantwortung des Piloten für einen kontrollierten Sichtflug, davon, dass solche Flüge ja auch am Wochenende schon möglich gewesen seien - da allerdings noch ohne Passagiere - und dass alles natürlich auf "rechtlich einwandfreier Grundlage" geschehe.

Dann prasseln die Fragen auf Ramsauer ein: Würde er selbst in ein Flugzeug einsteigen, das durch die Aschewolke fliegt? "Ich werde nicht verantworten, was ich nicht selbst als Passagier tun würde." Müssen sich die Passagiere nicht als Versuchskaninchen vorkommen? "Nein." Aber was bitteschön macht die Wolke im Sichtflug weniger gefährlich als im Instrumentenflug, bei dem das Durchfliegen verboten ist? Ramsauer weicht aus: Nicht einmal Triebwerkbauer könnten definitiv sagen, bei welcher Aschekonzentration kein Flug mehr möglich sei. Es gehe darum, sich "auf verantwortbarer Basis ein Stück der Normalität zu nähern".

Jetzt greift der Kollege von den Grünen ein. Auch Winfried Hermann sagt, die Sondergenehmigungen für die Fluggesellschaften bewegten sich im Rahmen der internationalen Regeln. Doch der Verkehrsexperte sagt auch: "In diesen Regeln ist etwas verborgen." Er meint eben jene Vorschrift, die besagt, dass Flugzeuge von Instrumenten geleitet nicht durch kontaminierte Luftschichten fliegen dürfen, sehr wohl aber auf Sicht.

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"Das ist ein Widerspruch", stellt Hermann fest. Und spricht damit aus, was Ramsauer offenbar nicht aussprechen wollte: Es gibt eine Lücke im Regelwerk, die zumindest nach gesundem Menschenverstand nicht logisch erscheint - und Ramsauers Devise "saftey first" ad absurdum führt. Die seit Tagen drängelnden Airlines, die der Minister zuletzt noch so scharf in die Schranken gewiesen hatte, dürfen plötzlich fliegen, obwohl sich rein technisch nichts geändert hat, der Vulkanstaub immer noch da ist, wie auch der Messflug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt am Dienstag bestätigt. "Es gibt keine sicherheitsrelevante Kontamination", sagt dagegen Lufthansa-Sprecher Bartels. "Das sagen wir schon seit dem Wochenende."

Ramsauer beteuert, er fühle sich nicht unter Druck gesetzt. Doch erst nach Herrmanns Intervention geht auch er auf die Regeln ein, die Lufthansa und Co. die Wiederaufnahme des Flugbetriebs erlauben. Es gebe da eine Reihe von Fragestellungen, was am Regelwerk verbessert werden müsse, räumt der Minister ein und verspricht für die Zeit nach der Vulkankrise einen Runden Tisch, der die Lehren daraus ziehen soll.

Zu spät, findet die Opposition. "Nicht verantwortbar" seien die derzeitigen Flüge, kritisiert Linken-Verkehrsexperte Herbert Behrens, Ramsauer müsse sie stoppen. Auch der SPD-Abgeordnete Florian Pronold bemängelte, dass die Umgehung des Flugverbots für Passagiere nicht verständlich sei, die Verantwortung werde auf die Piloten abgeschoben. Hatte Ramsauer am Montag noch jede Kritik offensiv zurückgewiesen, gerät er inzwischen in Erklärungsnot. Auch aus den Reihen von FDP und CDU wurde am Morgen schon leise Kritik laut.

Flugsicherung

Manche Attacke aus der Opposition mutet allerdings noch immer merkwürdig gewollt an. SPD-Verkehrspolitiker Uwe Beckmeyer bemüht am Dienstag nach dem Ausschuss scharfe Worte, um das Vorgehen des Ministers in den vergangenen Tagen zu geißeln. "Was sich die Bundesregierung an "Krisenmissmanagement" erlaube, sei kaum noch zu überbieten, wettert Beckmeyer. "Katastrophal" und "unhaltbar" sei es, dass der Krisenstab bei der Deutschen in Langen und nicht beim Verkehrsminister selbst angesiedelt sei. "Das ist so, als würde ein Hauptfeldwebel den Afghanistan-Einsatz leiten", erregt sich der SPD-Mann.

Mit diesem Vergleich kann selbst Grünen-Mann Hermann nichts anfangen. Es sei allein die SPD, die am Krisenmanagement etwas auszusetzen habe, lässt er die Genossen allein mit ihrer Schelte. Der Krisenstab sei von Anfang an voll operationsfähig gewesen.

Da ist Peter Ramsauer wieder froh, dass sich der Grünen-Mann an seine Seite geschoben hat. Am Mittwoch allerdings ist der Verkehrsminister wieder auf sich allein gestellt. Dann will er im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben - und vielleicht hat er sich bis dahin auch bessere Argumente überlegt, warum der Flug durch die Asche plötzlich sicher sein soll.

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