Verdächtigt wegen der Hautfarbe "Ich denke über die Länge meines Bartes nach"

Zeev Avrahami
Foto: privat
Zeev Avrahami, geboren 1969, ist ein israelischer Journalist, der mit Frau und Kindern in Berlin lebt. Avrahamis Familie immigrierte in den Fünfzigerjahren aus Iran nach Israel. Avrahami hat in New York Journalismus studiert, nach Berlin zog er im Jahr 2007. Dort betreibt er inzwischen ein Restaurant.
Ich bin jüdischer Israeli, aber ich sehe aus wie ein Araber. In Israel, wo ich herkomme, sieht die Polizei in mir einen Araber, und die Araber merken schnell, dass ich Jude bin. Ich gehöre also nirgends richtig dazu.
Dass ich von der Polizei nur auf Grund meiner dunklen Haut kontrolliert werde oder dass Leute nur aus diesem Grund auf mich schauen - das ist gewissermaßen die Geschichte meines Lebens.
Bis zum Zuzug der vielen Flüchtlinge im Jahr 2015 habe ich mich in Berlin willkommen gefühlt. Die Menschen haben mich mit Neugier, nicht mit Misstrauen betrachtet. Das hat sich sehr geändert.
Jetzt sind Kontrollen durch die Polizei keine Seltenheit mehr und misstrauische Blicke wegen meines Aussehens alltäglich. Zum Beispiel wurde ich neulich von der Polizei angehalten. Weil ich ein Restaurant habe, besitze ich eine Art kleinen Lieferwagen. Die Polizisten fragten immer wieder: Ob ich mir denn sicher sein, dass dies mein Auto sei und ich es nicht geliehen hätte? Normalerweise beruhigt sich die Polizei, wenn ich meinen israelischen Ausweis zeige.
Ich will Racial Profiling nicht grundsätzlich verurteilen. Für mich sind solche Kontrollen auch Ausdruck von Hilflosigkeit, die Polizisten wissen schlicht nicht, wie sie anders mit der Situation umgehen sollen. Es gibt ja eine reelle Gefahr durch Islamisten, und da liegt es auf der Hand junge, arabisch aussehende Männer zu checken.
Ich weiß auch nicht, wie es wirklich anders gehen soll. Es sind mit den Hunderttausenden Flüchtlingen, von denen viele ja ohne Sicherheitscheck gekommen sind, eben auch Terroristen und Menschen mit bösen Absichten gekommen. Ich sehe mich als liberal, aber nun denke ich: Als vollkommen Unschuldiger gecheckt zu werden, das ist eben der Preis, den ich, den viele andere, zahlen müssen. Ich bin bereit, diesen Preis zu zahlen dafür, dass wir gleichzeitig bestimmte Freiheiten behalten. Ich jedenfalls möchte im nächsten Jahr mit meinen Kindern auf einen Weihnachtsmarkt gehen und mich dort einigermaßen sicher fühlen.
Natürlich fühlt sich das nicht gut an
Was macht es mit mir, wenn ich immer wieder kontrolliert oder bewertet werde, nur auf Grund meines Aussehens?
Natürlich fühlt sich das nicht gut an. Ich habe ein sehr ambivalentes Verhältnis zu meiner Hautfarbe. Andere Menschen geben viel Geld für Bräune aus, ich bin von Geburt an dunkel - und das bedeutet Probleme zu bekommen, verdächtigt zu werden. Neulich entdeckte ich eine kleine Hautstelle an meinem Körper, die weiß geworden war. Meine Hautärztin sagte, ich verliere vielleicht Pigmente, und man könne möglicherweise nichts dagegen tun. Ich jubelte instinktiv: 'Juhu, ich werde weiß.' Die Ärztin konnte nicht aufhören zu lachen. Es war ein tragikomischer Moment.
Ich passe mich an - in einer Art vorauseilendem Gehorsam
Dass ich wegen meines Aussehens misstrauisch betrachtet werde, führt noch zu etwas anderem: Ich beobachte mich zum Beispiel genau dabei, wie ich Frauen ansehe. Ich möchte sichergehen, dass sie nicht auf die Idee kommen, ich würde sie herabwürdigen oder belästigen. Das habe ich nie gemacht und will ich nicht machen.
Jetzt, wo so viel über sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge oder deren Frauenbild diskutiert wird, nehme ich quasi an, dass selbst ein unschuldiges Lächeln, das ich auch einem Mann gegenüber zeigen würde, falsch verstanden werden könnte. Ich passe mich also in vorauseilendem Gehorsam an.
Ein anderes Beispiel dafür: Immer, wenn ich nach Israel reise, rasiere ich mich, damit nicht ein Bart noch mehr Aufmerksamkeit erregt und es für die Polizei kein weiteres Merkmal gibt, aufgrund dessen sie mich als Islamisten verdächtigten könnte. Seit kurzem denke ich über die Länge meines Bartes auch in Deutschland nach.
Diese Anpassung bedeutet natürlich, dass man dem, wie andere Menschen einen sehen oder auch nur sehen könnten, einen sehr großen Stellenwert einräumt.
Aber wie gesagt: Das ist ein bisschen die Geschichte meines Lebens."