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Reaktion auf NRW-Wahl Merkel streicht Steuersenkungen bis 2012

Die Kanzlerin zieht Konsequenzen aus dem NRW-Debakel. Steuersenkungen soll es in naher Zukunft nicht geben, erklärt Angela Merkel. Die CDU-Chefin räumt außerdem Fehler ein: Ministerpräsident Rüttgers habe im Wahlkampf zu wenig Rückendeckung aus Berlin bekommen.

Angela Merkel

Jürgen Rüttgers

Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen

Berlin - Müde und abgespannt wirkte , als sie sich zusammen mit in Berlin den Fragen der Journalisten stellte. Euro-Krise, - der Stress des Wochenendes war der Kanzlerin anzusehen.

Ungewohnt deutlich gab die CDU-Chefin dann zu, dass die Union in NRW eine deftige Niederlage einstecken musste. Daran sei die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht schuldlos, räumte sie bei dem Auftritt mit dem abgestraften Rüttgers ein: "Aus Berlin kam kein Rückenwind, sondern in den ersten Monaten sogar Gegenwind." Unverblümt sprach Merkel aus: "Alles in allem ein bitterer Tag gestern, eine herbe Niederlage."

Steuersenkungen

Aus der Schlappe an Rhein und Ruhr will die Kanzlerin nun die Konsequenzen ziehen. " werden auf absehbarer Zeit nicht durchsetzbar sein", sagte sie. "Das gilt für die Haushalte 2011 und 2012." Das heiße, "dass die Konsolidierung des Haushaltes Vorrang haben und Priorität haben wird". In den nächsten vier Wochen werde es dazu "entscheidende Weichenstellungen im Haushalt" geben.

Absprache mit den Koalitionspartnern

Mit den Chefs der Bündnispartner sei dieser Plan abgesprochen. "Das, was ich gesagt habe, weiß auch Herr Westerwelle. Wir haben darüber gesprochen, wie ich die Dinge sehe", sagte Merkel. Gesprochen habe sie auch mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. "Wir waren uns darüber auch einig." Die Regierung müsse sich "mit der Vereinfachung des Steuersystems befassen, damit wir uns mit unserer ganzen Kraft auf die Haushaltskonsolidierung und die Schuldenbremse konzentrieren können."

Es seien "an vielen Stellen zu viele Widersprüche aufgetreten" und es sei vielleicht auch durch zu viele Meinungsäußerungen "ein zu großer Schwerpunkt auf Steuersenkungen gelegt" worden. Die Wirkung war nicht produktiv für die Landesregierung."

Die FDP äußerte sich zum Thema Steuersenkungen ähnlich: "Dass auch wir wissen, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sich verändert haben, ist doch offensichtlich", sagte Parteichef Westerwelle. Vizechefin Cornelia Pieper erklärte im Radiosender MDR Info, die Situation sei heute eine ganz andere als noch vor einigen Wochen. "Das stellt den Haushalt vor ganz andere Anforderungen. Da muss man einige Ziele überdenken."

Eine Kabinettsumbildung lehnte die Kanzlerin mit Blick auf den erkrankten Finanzminister Wolfgang Schäuble und mögliche Konsequenzen aus der Wahlniederlage ab. "Schäuble ist auf dem guten Weg der Besserung. Er wird bald wieder gesund sein", sagte die Kanzlerin. "Ich glaube, dass wir uns sehr gut zusammengefunden haben. Am Anfang war es ein nicht ganz einfacher Prozess, aber jetzt in den letzten Wochen sind wir auf einem besseren Weg."

Rüttgers will von einem Rücktritt als Ministerpräsident nichts wissen. Der Regierungschef sieht trotz des Scheiterns seiner schwarz-gelben Regierung bei der Landtagswahl noch keinen Grund, das Handtuch zu werfen. Er spielt offenbar auf Zeit. "Nordrhein-Westfalen braucht eine stabile Regierung", sprach sich der Regierungschef vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin für eine Große Koalition aus. Dabei verwies er auch auf die "krisenhafte Situation" am Finanzmarkt.

"Ich werde mich der Verantwortung stellen, sowohl als Ministerpräsident als auch als CDU-Landesvorsitzender", sagte Rüttgers. Zuvor hatte er immerhin eine "bittere Niederlage" eingeräumt. "Ich werde auch über unsere Fehler reden, die wir auch abstellen werden", kündigte der Ministerpräsident an.

"Alles Weitere wird man dann sehen"

Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge erhielt die CDU 34,6 Prozent der Stimmen, die SPD 34,5 Prozent. Damit haben im Düsseldorfer Landtag weder Rot-Grün noch CDU und Grüne über eine Mehrheit. Möglich wäre aber eine Koalition aus CDU und SPD sowie eine rot-rot-grüne Koalition. Einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP erteilten die Liberalen eine Absage.

Wie Rüttgers pochte auch Sozialminister Karl-Josef Laumann auf den Anspruch der Union, den Ministerpräsidenten zu stellen. "Seit gestern Abend wissen wir, dass die CDU die stärkste politische Partei im Land ist."

Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) nannte es richtig, dass Rüttgers Koalitionsverhandlungen führen solle. "Alles Weitere wird man dann sehen." Wie lange Rüttgers noch die Rückendeckung der Union hat, ist unklar. Er sehe eine gemeinsame Verantwortung mit der SPD, "Extremisten" von der Regierung fernzuhalten, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der ARD in Anspielung auf eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei.

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Wahl in NRW: Machtpoker an Rhein und Ruhr

Foto: Hannibal Hanschke/ dpa

Welche Rolle Rüttgers im Falle einer Großen Koalition zukommen könnte, ließ Gröhe offen. Es sei jetzt völlig verfrüht, über Personal zu spekulieren. Es sei "honorig", dass Rüttgers sich bereit gezeigt habe, personelle Konsequenzen zu ziehen. Ihm einseitig oder gar personalisiert die Schuld für die Verluste zuzuweisen, sei falsch. "Wir haben zusammen gekämpft, und jetzt tragen wir zusammen die Verantwortung", sagte Gröhe.

Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ging jedoch von "komplizierten und schwierigen Verhandlungen" in Nordrhein-Westfalen aus. Die CDU habe einen hauchdünnen Vorsprung, betonte sie. "Eine stabile Regierungsbildung würde aus meiner Sicht am ehesten mit einer großen Koalition in Nordrhein-Westfalen gegeben sein." Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller sagte, seiner Meinung nach spreche alles für eine Große Koalition in Nordrhein-Westfalen.

als/dpa/AFP/Reuters/APN
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