Reaktion auf Urteil Ex-Justizsenator Kusch gibt Sterbehilfe auf

Überraschende Kehrtwende eines Überzeugungstäters: Hamburgs Ex-Justizsenator Kusch will künftig keine Sterbehilfe mehr anbieten. Als Grund für seine Einsicht nennt er in einem SPIEGEL-Interview das komplizierte deutsche Arzneimittelrecht - die nötigen Tricksereien seien "am Lebensende unwürdig".

Hamburg - Der ehemalige Justizsenator Roger Kusch hat sich überraschend entschlossen, keine Sterbehilfe mehr zu leisten. Der Hamburger Jurist reagiert damit auf das Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts, das ihm vorvergangene Woche die Beihilfe zum Suizid untersagte.

"Ich finde diese Entscheidung zwar falsch", sagt Kusch in einem SPIEGEL-Interview, "ich werde den Beschluss aber respektieren - ich biete die Suizidbegleitung nicht mehr an." Unmittelbar nach dem Urteil hatte Kusch noch angekündigt, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Seinen Meinungswandel begründet der Jurist mit den Schwierigkeiten, in Deutschland auf legale Weise an entsprechende Medikamente zu kommen: "Sie müssen immer mit Tricks und Heimlichkeiten arbeiten", sagt er, "und das finde ich am Lebensende unwürdig." Allerdings sei ihm erst mit der Zeit klargeworden, wie "belastend" diese Situation für alle Beteiligten sei.

Gegen Kusch läuft ein Strafverfahren. Die Hamburger Staatsanwälte verdächtigen ihn, gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen zu haben. Die Behörden hatten mehrere Menschen angesprochen, die mit Kusch in Kontakt standen. "Derartigen obrigkeitsstaatlichen Druck will ich den Sterbewilligen und mir künftig ersparen", so Kusch. Menschen, die sich weiterhin bei ihm melden, werde er raten, sich an Schweizer Organisationen wie Dignitas zu wenden.

Den Verwaltungsrichtern warf der ehemalige Justizsenator zu große Emotionalität bei der Entscheidungsfindung vor. Die Begründung habe "völlig überflüssige Bosheiten" enthalten, "die juristisch keine Rolle spielen". So sei er "in eine Ecke mit Prostituierten" gestellt worden. Die Richter hatten argumentiert, dass sein Angebot eine "sozial unwertige Tätigkeit" ähnlich der "Kommerzialisierung der Sexualität" sei. "In der Schweiz gibt es ja auch Rotlichtviertel", entgegnet Kusch, "aber dort kommt niemand auf die Idee, Sterbehilfevereine wie Dignitas in einem Atemzug mit Prostituierten zu nennen."

Das Ende seiner Karriere als Sterbehelfer empfindet Kusch nicht "als Scheitern, sondern als Zäsur". In Deutschland seien jetzt die Ärzte gefordert, Suizidhilfe zu leisten, "die haben kein Problem mit dem Arzneimittelgesetz".

Die Regelungen zur Sterbehilfe in Deutschland

ffr
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