Reaktionen im Internet Gaucks Gegner sammeln sich im Netz
Hamburg - Als Joachim Gauck im Juni 2010 von SPD und Grünen ins Rennen um das Amt des Bundespräsidenten geschickt wurde, sammelte er vor allem Unterstützer im Internet. Eine Facebook-Gruppe vereinte Zehntausende Anhänger. Und Gauck, der den Wert der Freiheit hochhielt, galt auch als Kandidat der Aktivisten, für die Freiheit im Netz eine zentrale Rolle spielt.
Und wie ist das Echo im Netz auf die parteiübergreifende Nominierung Gaucks für das Schloss Bellevue? Von der Euphorie aus dem Jahr 2010 ("Yes we Gauck!") war in den Stunden nach seiner Nominierung nicht viel übrig geblieben.
Ein Beispiel:
Es ist keine Einzelmeinung. Auf Twitter erlebt seit Sonntag der Hashtag #notmypresident ein Revival, das ursprünglich gegen den damaligen US-Präsidenten George W. Bush gerichtet war und in den vergangenen Wochen die Abneigung gegen Christian Wulff ausdrückte. Auch #NoGauck war am Montag auf Twitter oft zu lesen.
Auf dem Blog Metronaut werden "gute Gründe gegen Gauck " gesammelt: "Wenn also am 18. März der 'Bundespräsident der Nationalen Einheit' mit überwältigender Mehrheit gewählt wird, dann wird es einer sein, der vom Sozialstaat nicht viel hält, der in warmen Worten die Eigenverantwortung des Einzelnen in den Vordergrund stellt, Kritik am Kapitalismus für albern hält, Hartz IV und Afghanistan-Krieg gutheißt, die Vorratsdatenspeicherung befürwortet (...)." Auch hier lautet das Fazit: "Das ist nicht mein Präsident."
Die Gegenbewegung formiert sich, und das hat vor allem mit einigen umstrittenen Äußerungen Gaucks zu tun. Der designierte Bundespräsident hat sich zu Themen, die vielen der Netzaktiven wichtig sind, mehrfach sehr kritisch geäußert. Nun sind viele nachhaltig enttäuscht:
Ähnlich sieht es diese Twitter-Nutzerin:
Das sind die Argumente, die immer wieder gegen Gauck vorgebracht werden. Hinter dem Kürzel VDS geht es um die Haltung zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Netzaktivisten picken dabei einen Satz heraus, den Gauck im Dezember 2010 bei einer Diskussion im Wiener Burgtheater sagte. "Sie müssen wissen, dass etwa die Speicherung von Telekommunikationsdaten nicht der Beginn eines Spitzelstaates ist", sagte Gauck damals. In derselben Diskussion sagte Gauck über die damaligen Veröffentlichungen von Botschaftsdepeschen durch WikiLeaks, es handele sich um gestohlenes Material. "Das kann ich nicht akzeptieren, dass das gefeiert wird, das ist ein elementarer Verlust von Recht."
Im vergangenen Herbst spottete er über die Occupy-Proteste. Er halte die derzeitige Finanzmarktdebatte für "unsäglich albern". Der Traum von einer Welt, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne, sei eine romantische Vorstellung, sagte Gauck damals.
Hat Gauck Sarrazin gelobt?
Im Internet mischt sich Empörung gern mit Ironie, und so machen an diesem Montag Fotos die Runde, die mit etwas Augenzwinkern zeigen sollen, dass sich wohl doch nicht alles ändern könnte mit dem Übergang von Wulff zu Gauck. Auf den Bildern ist der Ex-Bürgerrechtler, der nach den Wulff-Affären wieder Integrität ins Schloss Bellevue bringen soll, mit einem Paar zu sehen. Es handelt sich um Unternehmer Carsten Maschmeyer und dessen Lebensgefährtin Veronica Ferres, ausgerechnet eine der umstrittenen Wulff-Freundschaften.
Und dann ist da noch die Sarrazin-Geschichte. Auf Twitter wird vor allem ein Artikel verlinkt, demzufolge Gauck den umstrittenen SPD-Politiker Thilo Sarrazin für dessen Mut gelobt haben soll. Ganz so eindeutig ist es dann aber doch nicht. Die Bloggerin Julia Seeliger bemüht sich nun , die Kritik an Gauck zu relativieren, da das Gauck-Zitat aus dem Kontext gerissen worden sei.
"In den letzten Tagen habe ich meine Meinung zu Gauck mehrmals geändert. Im Netz kursierten viele Gerüchte", schreibt Seeliger. Ihr Fazit: "Gauck macht sich nicht mit Sarrazins Inhalten gemein, sondern kritisiert Sarrazins Biologismus im Gegenteil sogar."
Doch solche Einschränkungen gehen leicht unter, denn die Empörungsmaschine über tatsächliche oder vermeintliche Äußerungen Gaucks läuft auf Hochtouren.
Und es gibt auch Gauck-Anhänger aus dem Jahr 2010, die bei ihrer hohen Meinung geblieben sind. Felix Schwenzel schreibt auf seinem Blog wirres.net , er freue sich nach wie vor über die Ernennung des Ex-Bürgerrechtlers als Kandidat. "Gauck höre ich, auch wenn er ein bisschen pastoral klingt, gerne zu. Er betont die Worte so, dass man ihm gerne zuhört und nicht beim Zuhören stolpert, wie es passieren konnte, wenn Christian Wulff sprach. Ich glaube, Joachim Gauck wird ein guter Präsident."
Es ist vielleicht auch so, dass man es aktiveren Twitterern ohnehin nur schwer recht machen kann. Das zumindest scheint dieser Nutzer zu denken: