Erdogan kritisiert Deutschland: "Mesut Özil wurde verstoßen"
"Ich als ihr Präsident"
Erdogan kritisiert Deutschlands Umgang mit Özil und Gündogan
Der türkische Präsident zeigte sich vor der Abreise zufrieden mit seinem Staatsbesuch - nicht aber mit Deutschlands Rolle im Fall Özil. Erdogan machte deutlich, dass er sich für den Präsidenten des Ex-Nationalspielers hält.
Recep Tayyip Erdogan hat Deutschlands Umgang mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler Mesut Özil und seinem Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan kritisiert. "Unser in Deutschland geborener und aufgewachsener Mesut Özil und unser Ilkay, sie haben sie aus dieser Gesellschaft ausgegrenzt, weil sie sich mit mir in England fotografieren ließen", sagte Erdogan in seiner Rede zur Eröffnung der Ditib-Moschee in Köln. "Ehrlich gesagt konnte ich es als ihr Präsident nicht verdauen, dass unsere zwei jungen Männer, die bis in die deutsche Nationalmannschaft aufgestiegen sind, ausgegrenzt wurden."
Erdogan sagte auch, dass Özil von manchen Menschen in Deutschland unterstützt worden sei, aber er hätte sich eine "gemeinsame Haltung" gewünscht. Auslöser der Affäre war ein Foto
, auf dem sich Özil und Gündogan im Mai in London zusammen mit Erdogan hatten ablichten lassen. Die beiden bezeichneten Erdogan dabei auch als "ihren Präsidenten". Erdogan griff diese Bezeichnung nun selbst wieder auf.
Die Debatte über das Foto und der Umgang des Deutschen Fußball-Bunds mit der Affäre begleiteten den deutschen WM-Auftritt. Özils Rücktritt aus der Nationalelf und seine Vorwürfe lösten eine Rassismusdebatte aus.
Der türkische Präsident forderte eine bessere Integration der Türken in Deutschland. Die Türkei habe die Integration unterstützt und werde das auch weiterhin tun. "Wir sehen die Zukunft unserer Brüder hier." Muslime in Deutschland dürften aber nicht zur Zielscheibe gemacht werden.
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Erdogan kritisiert Deutschland: "Mesut Özil wurde verstoßen"
Am letzten Tag seines Staatsbesuchs in Deutschland zog Erdogan eine positive Bilanz: "Es war ein erfolgreicher Besuch", sagte er in seiner Rede zur Eröffnung der großen Ditib-Moschee in Köln-Ehrenfeld am Samstagnachmittag. Die Reise habe die deutsch-türkische Freundschaft vertieft.
Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe er "wichtige Themen ehrlich besprochen", unter anderem wirtschaftliche Investitionen und wie man "effektiv gegen Rassismus und Islamophobie ankämpfen" könne.
Der Staatsbesuch war allerdings auch von Irritationen und Eklats begleitet. Zuletzt hatte Erdogan am Freitagabend während des Staatsbanketts Steinmeiers Kritik an seiner Menschenrechtspolitik scharf zurückgewiesen und seinerseits getadelt. In Deutschland seien "Hunderte, Tausende" Terroristen unterwegs, sagte er in seiner Tischrede.
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Erdogan kam in seiner Rede auch auf die Bewegung des in den USA lebenden türkischen Predigers Fethullah Gülen zu sprechen. Deren Anhänger dürften "keinen Unterschlupf finden", weder in Europa noch in den USA, sagte Erdogan.
Die türkische Führung macht Gülens Bewegung für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Insgesamt forderte Erdogan einen "stärkeren Kampf" gegen den Terrorismus in Europa. Zu den Organisationen, die es zu bekämpfen gelte, zählte er auch gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.
Geplante Großkundgebung wurde von der Stadt Köln untersagt
Gesichert durch einen der größten Einsätze der Kölner Polizei eröffnete Erdogan am Nachmittag die Ditib-Moschee offiziell. Bereits Stunden vor seiner Ankunft hatten Hunderte von Polizisten die Straßen rund um die Moschee abgesperrt und Anwohner ebenso wie Besucher streng kontrolliert. Stadt und Polizei legten einen großen Sicherheitsbereich fest, es fuhren Wasserwerfer und Hundertschaften auf. Die Lage blieb laut Polizei trotz des Andrangs feiernder Türken bis zur Ankunft Erdogans am Nachmittag ruhig. Erdogan-Anhänger zogen Fahnen schwingend durch das Viertel an der Moschee.
Die Veranstaltung an der Moschee war kurzfristig umgeplant worden: Wegen erheblicher Sicherheitsbedenken hatte die Stadt am Vorabend eine dort geplante Außenveranstaltung mit Tausenden Besuchern untersagt. Die Ditib hatte auf Facebook zu der Feier eingeladen und mit zahlreichen Besuchern gerechnet. Die Kölner Behörden hatten dafür ein ausreichendes Sicherheitskonzept verlangt, etwa zu Sanitätern und Fluchtmöglichkeiten - nach eigenen Angaben vergeblich.
Die Ditib reagierte mit Unverständnis auf das Verbot. "Mit Bedauern entgegnet Ditib dieser Verfügung und kann die Begründungen nicht nachvollziehen", teilte sie auf Facebook mit.
Neben der Moschee-Eröffnung waren in Köln mehrere Kundgebungen anlässlich des Erdogan-Besuches angemeldet. Bei einer der größten Protestveranstaltungen gegen Erdogan versammelten sich allerdings deutlich weniger Menschen als im Vorhinein vermutet. Statt der erwarteten 10.000 Teilnehmer kamen Schätzungen zufolge rund 2000 Menschen zusammen. Die Polizei hielt sich mit Angaben zu den Teilnehmerzahlen zurück. Unter dem Titel "Erdogan not welcome" hatten kurdische und linke Erdogan-Gegner zum Protest am Rheinufer aufgerufen.
Frühstück mit Merkel, Treffen mit Laschet
Vor dem Abflug nach Köln war Erdogan am letzten Tag seines Staatsbesuchs in Deutschland erneut mit Bundeskanzlerin Merkel zusammengekommen. Nach Angaben eines Regierungssprechers diente das Arbeitsfrühstück "einem vertieften Gespräch über das deutsch-türkische Verhältnis, die innenpolitische Lage in der der Türkei und die gemeinsamen Interessen im Kampf gegen den Terrorismus". Details wurden nicht bekannt.
Nach dem Gespräch mit Merkel reiste Erdogan nach Köln weiter, wo er zunächst den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) traf. Das Gespräch von Laschet und Erdogan war kurzfristig in ein Gebäude der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums am Kölner Flughafen verlegt worden. Ursprünglich hatte es auf Schloss Wahn stattfinden sollen - das hatten die Schlossbesitzer aber aus politischer Überzeugung gegen Erdogan abgelehnt.
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Am letzten Tag seines Deutschlands-Besuchs weihte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Ditib-Moschee in Köln ein.
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Erdogan beim Gebet. Die Moschee wurde mit einer Rede des türkischen Präsidenten eröffnet.
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Zur Eröffnung erschienen Hunderte Gäste.
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In seiner Rede kritisierte Erdogan den Umgang Deutschlands mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler Mesut Özil und seinem Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan, die nach einem Foto mit Erdogan starker Kritik ausgesetzt waren.
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Erdogan machte keinen Hehl daraus, dass es sich als Präsident der beiden deutschen Staatsbürger Özil und Gündogan sieht: "Ich konnte es als ihr Präsident schwer ertragen, dass diese jungen Leute, die es bis in die Nationalmannschaft geschafft hatten, ausgestoßen wurden."
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Kölner Bewohner protestieren gegen Erdogans Besuch. Der Schriftzug: "Diktatoren sind nicht willkommen".
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Vor der Eröffnung der Moschee hatte Erdogan Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) am Kölner Flughafen getroffen. Im Gespräch ging es unter anderem um Justiz und Menschenrechte.
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Erdogan reiste nach dem Gespräch weiter zur Eröffnung der Ditib-Moschee in Köln. Laschet hatte einen gemeinsamen Auftritt in dem Bauwerk abgesagt.
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Erdogan winkt bei seiner Ankunft vor der Moschee seinen Anhängern zu.
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Die Polizei war beim Köln-Besuch von Erdogan mit Tausenden Beamten im Einsatz. Rund um die Ditib-Moschee legten Stadt und Polizei einen großen Sicherheitsbereich fest.
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Es handelt sich um einen der größten Polizeieinsätze in der Kölner Geschichte. Hier überwachen zwei Scharfschützen den Flughafen Köln/Bonn vor der Ankunft Erdogans.
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Erdogan-Anhänger schwenken Fahnen und jubeln im Umfeld der Ditib-Zentralmoschee. Die Zeremonie zur Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee in Köln wird in deutlich kleinerem Rahmen stattfinden als ursprünglich vorgesehen: Eine geplante Veranstaltung vor der Moschee, zu der Tausende Anhänger Erdogans erwartet wurden, wurde aus Sicherheitsgründen untersagt.
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Die Ditib habe kein ausreichendes Sicherheitskonzept vorgelegt, sagte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Deshalb könne die Veranstaltung im Außenbereich nicht stattfinden. Hier ist sie gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Regierungschef Laschet zu sehen.
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Demonstranten versammeln sich zu einer Kundgebung gegen Erdogan. Statt der erwarteten 10.000 Teilnehmer kamen Schätzungen zufolge etwa 2000 Menschen zusammen.