
S.P.O.N. - Im Zweifel links Die völkische Revolution

Frankreich ist nach rechts gerückt. Das Land, in dem am 26. August 1789 die "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" verkündet wurde, hat eine Bewegung zur stärksten Partei gemacht, deren Gründer wohl mit eigener Hand Menschen gefoltert hat. Aber das kümmert die Menschen heute nicht mehr.
Die Geschichte geht sie nichts an. Sie vergessen ihre Lehren. In ganz Europa ist das völkische Denken auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland.
Marine Le Pen, die es geschafft hat, dem Rassismus ein vergleichsweise zivilisiertes Gesicht zu verleihen, hat nach der Wahl gesagt: "Der Front National ist die einzige Kraft, die eine wirklich französische Republik verteidigt." Der Satz ist eigentlich unsinnig.
Aber ihre Wähler verstehen ihn sofort - und die anderen auch. Den einen ist er Verheißung. Den anderen Drohung. Seine Kraft bezieht er aus der Furcht. Vor dem Verlust, vor der Fremdheit. Das ist ja die Paradoxie der Gegenwart: Die Eliten ernten die Früchte der Globalisierung, der Rest der Leute soll zusehen, wo er bleibt. Daheim nämlich. Aber was bedeutet das heute noch?
Mit allen Mitteln gegen den Vorwurf des Antisemitismus
Für Deutschland hat eine Studie festgestellt, dass sich mehr als jeder fünfte manchmal fremd im eigenen Land fühle. Der Soziologe Hartmut Rosa hat unlängst das Versagen der Politik als "Resonanzsphäre" beklagt. Die Menschen haben das Gefühl, ihre Fragen verklingen ungehört. Zu diesen Leuten hat der AfD-Mann Björn Höcke gesprochen, als er neulich im traurigen Cottbus immer wieder die "deutsche Vertrauensgemeinschaft" beschwor.
Wo den Abgehängten der politische Resonanzraum fehlt, bringen die rechten Bewegungen ihren Zuhörern die Welt wieder zum Klingen. Aber sie brauchen dafür regelmäßig den Lärm der Gewalt. Der "FAS"-Journalist Volker Zastrow erkannte neulich in einem Aufsehen erregenden Artikel bei der AfD "Wut, Hass und einen nicht mehr zu übersehenden Hunger nach Gewalt".
Das hat die AfD-Funktionäre sehr geärgert, die gerade den Versuch unternehmen, den Balanceakt der Le Pen-Tochter auf deutsche Verhältnisse zu übertragen: auf der Straße dem rechten Affen Zucker geben und auf dem Berliner Presseball das Hauptstadtparkett putzen.
Darum geben sich die Rechten hierzulande auch die größte Mühe, dem schwerstwiegenden Vorwurf vorzubeugen, den man ihnen in Deutschland machen kann: Antisemitismus. Zastrow schreibt: "Was die völkische Bewegung der Vorväter zusammenhielt und ihr zugleich als Kraftquelle diente, war ... die schwarze Milch des Antisemitismus." Aber das ist Vergangenheit. Man hat bei AfD- und Pegida-Demonstrationen im schwarz-rot-goldenen Meer der Deutschlandfahnen auch schon das fröhliche Weiß-Blau der israelischen Flagge gesehen.
Die offizielle Linie der AfD hat kein Problem mit Israel - warum auch: So rechts wie die deutschen Rechtspopulisten ist die Regierung von Benjamin Netanyahu allemal. Vor allem aber eint die israelische Politik und die AfD die - vorsichtig formuliert - kritische Haltung gegenüber dem Islam. Offenherzig konnte die heutige AfD-Chefin Frauke Petry im August 2014 bekennen: "Die AfD ist ganz klar gegen Antisemitismus, vor allem auch gegen den neu importierten Antisemitismus in Deutschland."
In einer furchtbaren Wiederkehr des Vergangenen werden hier "ethnische" Kategorien plötzlich herangezogen zur Herabsetzung sozialer und kultureller Differenz. Europa erlebt eine völkische Revolution. Sie erobert und verändert den Kontinent so, wie es einst der Liberalismus tat.
Am Ende könnten wir feststellen: Der Faschismus ist kein Phänomen der Vergangenheit.