Verfassungsschutz 350 Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in deutschen Sicherheitsbehörden

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zählt einem Medienbericht zufolge in den deutschen Sicherheitsbehörden mehr als 350 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus. Dies geht aus dem erstmals erstellten Entwurf des Lageberichts zu dem Thema hervor, über den die "Welt am Sonntag" berichtet. Das als vertraulich eingestufte Dokument beleuchtet demnach den Zeitraum von Anfang Januar 2017 bis Ende März 2020.
Das BfV fragte demnach den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, die 16 Länderpolizeien und die Verfassungsschutzämter ab, die zusammen etwa 300.000 Mitarbeiter haben. Die Behörden mussten einen Fragebogen zu rechtsextremen Fällen in ihren Häusern ausfüllen, den das BfV dann zentral auswertete.
Hessen besonders betroffen
Die meisten rechtsextremen Verdachtsfälle unter den Bundesländern meldete laut der "Welt am Sonntag" Hessen. Das dortige Innenministerium erkläre dies damit, dass bereits seit zwei Jahren besonders intensiv in diesem Bereich intern ermittelt werde. In Hessen liefen demnach in den vergangenen drei Jahren 59 dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen. Bei 50 davon seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden, 29 seien eingestellt worden, schrieb die Zeitung. In elf Fällen seien Entlassungen oder Nichternennungen ins Beamtenverhältnis erfolgt.
Nordrhein-Westfalen hat 43 Verdachtsfälle von Anfang 2017 bis Ende März 2020 gemeldet. Das berichtete Innenminister Herbert Reul (CDU) vergangene Woche dem Landtag. Seitdem sind jedoch zahlreiche Fälle dazugekommen, vor allem bei der Polizei Essen, sodass das Land inzwischen von 100 Rechtsextremismus-Verdachtsfällen seit 2017 spricht.
In den vergangenen Monaten hatten immer wieder rechtsextreme Vorkommnisse in Sicherheitsbehörden für Aufsehen gesorgt. Zuletzt wurde etwa in Nordrhein-Westfalen eine rechtsextreme Chatgruppe innerhalb der Polizei aufgedeckt. In Leipzig steht ein Polizist im Verdacht, ebenfalls als Teilnehmer eines Chats "rechtsextremistische und rassistische Äußerungen vorgenommen zu haben", wie die Leipziger Polizeidirektion am Freitag mitgeteilt hatte.
Eine SPIEGEL-Umfrage hatte im Sommer bereits ergeben, dass es in den Ländern seit 2014 mindestens 340 Verdachtsfälle von rechtsextremen, rassistischen oder antisemitischen Umtrieben unter Polizisten und Polizeianwärtern gab. Bei der Bundespolizei waren es 73 seit dem Jahr 2012. Auch "Reichsbürger" in Uniform sind unter diesen Fällen zu finden, allein in Bayern waren es 18, bei der Bundespolizei zwölf.