Reform-Streit
Gewerkschafter schmusen mit der Union
Der Riss zwischen den Gewerkschaften und der SPD wird immer tiefer. IG Metall und Ver.di wollen jetzt mit der Union Gespräche über die Sozialreformen führen. Zugleich fliegen innerhalb des Gewerkschaftslagers die Fetzen: IG-Metall-Chef Klaus Zwickel warf dem IG-BCE-Vorsitzenden Hubertus Schmoldt "Gequake" vor.
Hamburg - In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sagte Zwickel, durch die Debatte um Kanzler Gerhard Schröders Reformagenda 2010 habe sich das Verhältnis der Gewerkschaften zur SPD verändert. Wie um zu beweisen, dass es sich dabei nicht um eine leere Drohung handelt, kündigte der IG-Metall-Chef Gespräche mit CDU und CSU an: "Jetzt müssen die Gewerkschaften ausloten, was im Interesse der Arbeitnehmer besser mit der SPD und was mit der Union zu machen ist."
Die IG Metall werde den Kontakt zur Union mit dem Ziel suchen, an einzelnen Punkten der Agenda Sozialabbau zu verhindern. Ausdrücklich nannte Zwickel dabei das Krankengeld. Gespräche darüber hätten
mit dem Arbeitnehmerflügel von CDU und CSU bereits
stattgefunden. Jetzt müsse ausgetestet werden, in welchen
weiteren Fragen Übereinstimmung mit der Union möglich sei.
Diebische Freude bei der CDU
Auch Ver.di geht auf Distanz zur SPD. Die Dienstleistungsgewerkschaft bekräftigte, sie werbe bei der Union für ihre Positionen. Gespräche mit dem
Arbeitnehmerflügel der Union würden sowohl im Rahmen des DGB als auch auf Ebene der Einzelgewerkschaften geführt.
Die CDU nahm die Steilvorlage der Gewerkschaften freudig auf. Hermann-Josef Arentz, Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, begrüßte Zwickels Worte. "Ich freue mich, wenn aus Ernüchterung über Schröder die Berührungsängste weniger werden", sagte der CDU-Politiker. Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass es in etlichen Punkten gravierende
Unterschiede zwischen den Gewerkschaften und der Union gebe.
Was die Diskussion zwischen den Gewerkschaften betrifft, übte sich Zwickel im verbalen Drahtseilakt. Es gebe keinen Dissens, betonte der IG-Metall-Chef: Im Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbund herrsche hinsichtlich der Bewertung von Schröders Sozialagenda "absolute" Übereinstimmung.
Heftiger Krach zwischen Zwickel und Schmoldt
Im gleichen Atemzug teilte Zwickel heftig gegen den Vorsitzenden der Chemiegewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, aus. Dessen Kritik an
der Absage der Gewerkschaften an ein Gespräch mit der SPD-Spitze
über die Agenda 2010 bezeichnete Zwickel kurzerhand als "Nachgequake". Das bestätigten auch Aussagen der "drei Kollegen", die eine eigene
Initiative angekündigt hätten, sagte Zwickel. "Mich freut, dass wir uns jetzt
gemeinsam für eine Besteuerung von Kapitalerträgen, Veräußerungsgewinnen und für eine höhere Erbschaftssteuer
einsetzen."
Besonders sauer war Zwickel offenbar über Schmoldts Seitenhieb gegen den DGB, man könne mit Trillerpfeifen zwar seinen Unmut äußern, aber keine Diskussion ersetzen. "Die Banalität, eine Routinesitzung des SPD-Gewerkschaftsrates abzusagen, das ist kein Anlass, den DGB in Frage zu stellen", sagte Zwickel.
Schmoldt holte daraufhin zum verbalen Gegenschlag aus. Eine
persönliche Auseinandersetzung mit Zwickel, ließ der Gewerkschaftschef wissen, sei "nun wirklich nicht mein Niveau". Süffisant fügte Schmoldt hinzu, dass sich die IG Metall offenbar von ihrer Forderung nach einer Vermögenssteuer verabschiedet und nunmehr die steuerpolitischen Ideen der IG BCE übernommen habe. Wer im Übrigen wie Zwickel ein Treffen des SPD-Gewerkschaftsrates mit Schröder als Routinesitzung und die Absage daran als Banalität bezeichne, so Schmoldt, schätze offenbar den Stellenwert und die Reichweite der Debatte nicht richtig ein.
Kanzler Schröder versuchte unterdessen, die Wogen zu glätten. Einen Tag vor den bundesweiten DGB-Protesten gegen die Agenda 2010 sagte Schröder bei der 140-Jahr-Feier der SPD, die Reformen kämen denen zu Gute, "die Arbeit haben und denen, die Arbeit suchen". Dies wolle er "unseren Freunden von den Gewerkschaften ans Herz legen. Und sie werden unsere Freunde bleiben."
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