Reformgerangel Chaos in der Union frustriert Arbeitgeber
Berlin - "Ich bin bestürzt, wenn ich die Debatte in der CDU und CSU zur Gesundheitsprämie verfolge", schrieb Dieter Hundt, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), in der "Welt am Sonntag". Ihn störe vor allem "die Entscheidungsunfähigkeit von CDU und CSU in einer so zentralen Frage." Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, warnte die Union davor, ihre Wahlchancen "durch interne Schaukämpfe und Rangeleien" zu gefährden. "Wenn sich der Streit zwischen den Schwesterparteien hinzieht, schadet das nicht nur der Union. Es schadet Deutschland", zitiert die "Bild am Sonntag" ihn.
Meinungsumfragen belegen einen drastischen Rückgang in der Wählergunst. Schuld daran sind neben der Uneinigkeit bei Gesundheits- und Steuerreform auch die Personalfragen um die Nachfolge des scheidenden Wirtschafts- und Finanzexperten Friedrich Merz. Fraktions- und Parteichefin Angela Merkel hat ihrem Vorgänger Wolfgang Schäuble dessen Arbeitsgebiete angeboten. Der hat sich nach SPIEGEL-Informationen Bedenkzeit ausgebeten. Aus der CDU gab es dazu zunächst keine Stellungnahme. Das Verhältnis von Schäuble und Merkel gilt unter anderem seit der Ernennung von Bundespräsident Horst Köhler im vergangenen Mai als belastet.
Im Gesundheitsstreit beharren die Schwesterparteien auf ihren Positionen. Merkel verteidigte im SPIEGEL das CDU-Modell einer für alle Versicherten gleich hohen Kopfpauschale: "Auch im Prämienmodell sind die Anteile, die der Einzelne zur Prämie beiträgt, bei kleinen Einkommen geringer als bei großen. Die einen zahlen über das Steuersystem mehr, die anderen erhalten über das Steuersystem einen Zuschuss."
Ihr CSU-Gegenspieler Horst Seehofer sprach sich indes in der "Bild am Sonntag" gegen eine Steuererhöhung zur Finanzierung des Gesundheitswesens aus. Darin sieht er "eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf". Ende kommender Woche treffen sich CDU und CSU erneut zu Verhandlungen über die Gesundheitsprämie.
FDP-Chef Guido Westerwelle hält die Kanzlerkandidatenfrage für die Ursache der öffentlichen Streitigkeiten. Deswegen forderte er CDU und CSU auf, sich bis Dezember auf einen Kandidaten festzulegen. "Die Unionsparteien gefährden die Ablösung von Rot-Grün, wenn sie so weitermachen", sagte er der "Welt am Sonntag". Sprecher von CDU und CSU wollten sich zu dem Westerwelle-Vorstoß heute nicht äußern.
Die vierteljährliche SPIEGEL-Umfrage ergab für CDU und CSU den schlechtesten Wert seit der Bundestagswahl 2002. Die Union käme auf 40 Prozent (Juli: 45 Prozent), wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, berichtet das Nachrichtenmagazin. Gleichzeitig steigt die SPD um sieben Prozentpunkte auf 30 Prozent. Die FDP bleibt bei sieben Prozent, die Grünen bei 13 Prozent, ermittelte TNS Infratest für den SPIEGEL.
Auch nach der jüngsten Forsa-Umfrage im Auftrag von "Stern" und RTL hätte Schwarz-Gelb mit zusammen 47 Prozent der Stimmen zurzeit keine Mehrheit im Parlament. Nach Einschätzung von Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner vermitteln die unionsinternen Auseinandersetzungen beim Wähler den Eindruck, dass sich die Parteien nur mit sich selbst beschäftigen. Zugleich werde der Anschein erweckt, selbst keine Lösung der politischen Probleme anbieten zu können, sagte der Meinungsforscher der Hannoverschen "Neuen Presse". Darunter leider auch Merkels Ansehen.