Reformideen zur Homo-Ehe Steuern runter, Kindergeld weg

Minister Schäuble im Kabinett: Wie viel Familiensplitting ist bezahlbar?
Foto: Robert Schlesinger/ picture alliance / dpaBerlin - Als Jens Spahn am vergangenen Freitag den Medizingerätehändler Storz in Tuttlingen besichtigte, war er im Wahlkreis von Volker Kauder ein gerngesehener Gast. Die Unternehmer wollten dem Gesundheitsexperten ihre Anliegen nahebringen, Fraktionschef Kauder hatte den Termin in Baden-Württemberg vermittelt.
Wenn Jens Spahn seinen Fraktionschef in dieser Woche in Berlin wieder trifft, dürfte die Stimmung weniger entspannt sein. Denn dann spricht Spahn mit Kauder nicht als Gesundheitspolitiker, sondern als Vorkämpfer für die steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern will er die politische Zustimmung für ein Vorhaben ausloten, das in der Unionsfraktion für erhebliche Unruhe sorgen könnte - einen Gruppenantrag, der das Ehegattensplitting auf die eingetragene Lebenspartnerschaft ausdehnt. (Mehr zu diesem Thema erfahren Sie unter diesem Link im neuen SPIEGEL.)
Das Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die steuerliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft hat die Union nur scheinbar befriedet. Zwar setzen die Befürworter darauf, dass das Bundesverfassungsgericht noch vor dem Sommer in ihrem Sinne entscheidet. Doch sie fürchten, dass Merkel eine Nebelkerze wirft, indem sie mit Hingabe den teuren und komplizierten Umbau des Ehegatten- zum Familiensplitting diskutieren lässt. Das eigentliche Anliegen der Reformer, die relativ einfache und günstige Ausdehnung des Ehegattensplittings auf die Lebenspartnerschaft, droht dabei in Vergessenheit zu geraten.
Gemeinsamer Antrag mit der Opposition?
Bereits nach dem Votum des CDU-Präsidiums am vergangenen Montag hatte Spahn daher an einige Mitstreiter eine SMS geschickt, in der er einen parteiübergreifenden Gruppenantrag ins Spiel brachte. Damit würden Abgeordnete mehrerer Fraktionen gemeinsam die Einführung des Ehegattensplittings für Lebenspartnerschaften fordern, die CDU-Leute müssten sich gegen die Mehrheit in ihrer Fraktion stellen. Das Vorhaben ist längst nicht beschlossene Sache, doch es findet durchaus Zustimmung.
Zumal am Donnerstag SPD und Grüne die Homo-Ehen-Befürworter in der Union zusätzlich unter Druck setzen wollen, indem sie Anträge zur steuerlichen Gleichstellung in den Bundestag einbringen. "Wir sollten uns in dieser Frage nicht vom Bundesrat oder den Anträgen der Grünen treiben lassen. Ein überparteilicher Gruppenantrag wäre eine Option", sagt etwa der Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann.
Spahn sieht das ähnlich, will aber zunächst die Debatte in der Fraktion abwarten. Dass die Jungunionisten sich nicht vertrösten lassen wollen, bis das neue Splitting-Modell im Gesetzblatt steht, ist nur zu verständlich. Denn bis dahin dürften Jahre vergehen. Die Umstellung vom herkömmlichen Ehegattensplitting auf die große Familienlösung ist alles andere als trivial. Das liegt schon an den Kosten: Würde das Splitting von Eheleuten auf Kinder ausgeweitet, klafften große Lücken im Staatshaushalt.
Bislang funktioniert das Splitting so: Das Einkommen der Eheleute wird gleichmäßig auf Mann und Frau verteilt, die jeweils anfallende Steuerschuld addiert. Weil wegen der Progression mit steigendem Einkommen die Steuerlast überproportional steigt, ergibt sich eine Entlastung. Würde diese Methode um die Kinderschar erweitert, fiele der Splitting-Vorteil noch größer aus, die Verluste für den Fiskus aber auch.
Radikalumbau der bisherigen Familienpolitik
Bundesfinanzminister Schäuble hat seinen Beamten deshalb zwei Vorgaben gestellt: Zum einen soll das neue Modell für den Fiskus bezahlbar bleiben, zum andern darf sich niemand schlechter stellen. Diese beiden Eckwerte stellen höchste Ansprüche an die Gesetzesschreiner und haben weitreichende Konsequenzen: Sie laufen auf einen Radikalumbau der bisherigen Familienpolitik hinaus.
Bezahlbar bleibt der große Wurf nämlich nur, wenn das bisherige Kindergeld und die Kinderfreibeträge wegfallen. Um die zweite Vorgabe zu erfüllen, machen sich die Finanzministerialen nun daran, die variantenreiche Wirklichkeit deutschen Familienlebens in Rechenbeispielen einzufangen.
Viele Fragen sind zu klären: Wie wirkt sich das Familiensplitting auf Familien mit Allein- und Doppelverdiener aus? Mit einem Kind und mit mehreren, bei hohem Einkommen und bei niedrigem? Zählt ein Kind wie ein Erwachsener oder, wie in Frankreich, nur zur Hälfte? Welche Folgen ergeben sich, wenn beide Elternteile arbeiten, aber nicht verheiratet sind? "Das ist eine Jahrhundertaufgabe", stöhnt einer der beteiligten Beamten.
Nur ein Detail steht schon fest. Familien, die so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen müssen, sollen auch weiterhin eine Art Kindergeld bekommen. Matthias Zimmer, einer der Unterstützer der steuerlichen Gleichstellung in der CDU, hält die Debatte trotz der vielen Fallstricke für nützlich. "Wenn die Erweiterung des Ehegatten- zum Familiensplitting die Brücke ist, über die die CDU gehen muss, damit sie zu einer steuerlichen Gleichstellung der Lebenspartnerschaft kommt, ist mir das recht."