

Berlin - Steuersenkungen, Reformen, ein Schutzschirm für Arbeitnehmer - Angela Merkel und Guido Westerwelle haben ihren schwarz-gelben Koalitionsvertrag als Aufbruch in eine neue Ära präsentiert. "Ich freue mich. Es waren nicht immer einfache Verhandlungen", sagte die Kanzlerin. Die Ernsthaftigkeit der Lage sei deutlich geworden. Jetzt habe sie "Mut und Lust" auf die Arbeit.
Die neue Bundesregierung wolle als Folge der Wirtschaftskrise einen Schutzschirm für Arbeitnehmer spannen. Der Staat solle die Folgekosten des Abschwungs in der Gesundheits- und der Krankenversicherung übernehmen, damit die Bürger nicht die vollen Lasten der Rezession schultern müssen. "Damit Arbeit sich lohnt", solle ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz außerdem noch in diesem Jahr verabschiedet werden, kündigte die Kanzlerin an. "Wir erhöhen keine Steuern und Abgaben, sondern setzen auf Wachstum." Insgesamt soll es Steuersenkungen in Höhe von 24 Milliarden Euro geben.
Geplant seien eine stärkere Familienförderung und Korrekturen an Erbschaftsteuer- und Unternehmensteuern (siehe Kasten links). Geplant sei zudem ein Einstieg in die Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung, in der Gesundheitsversicherung ein Solidarausgleich und eine Entkopplung der Kosten von den Lohnzusatzkosten. Bereits im Januar 2010 sollen der Kinderfreibetrag und das Kindergeld angehoben werden.
Zur Finanzierung gab es wenig Details - "wir setzen auf Wachstum", sagte Merkel gleich zu Beginn der Präsentation des Koalitionsvertrags. Der Schlüssel zur Lösung der Krise sei Arbeit für die Menschen. Diesem Grundsatz folge der Koalitionsvertrag. "2011 schauen wir uns an, was die Reformen gebracht haben."
Westerwelle nannte den Koalitionsvertrag eine "hervorragende Grundlage für unser Land". Er trage eine starke liberale Handschrift. "Mut zur Zukunft" sei der zentrale Auftrag für die neue Bundesregierung. "Wir wollen, dass sich Arbeit wieder lohnt", sagte er und verwies auf die Steuerreform: Die Bürger müssten durch ein "einfacheres, niedrigeres und gerechteres" System "mehr Netto vom Brutto" bekommen. Westerwelle widersprach den Kritiken einer schwarz-gelben Koalition. "Alle, die behauptet haben, mit Schwarz-Gelb stehe eine Zeit der sozialen Kälte bevor, sind eines Besseren belehrt."
Westerwelle für Abzug aller Atomwaffen
Der designierte Außenminister kündigte auch bereits einen Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit an: Er will einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland durchsetzen. Er werde sich dafür einsetzen, dass aus Deutschland die letzten Atomwaffen abgezogen werden sollten.
Westerwelle versuchte am Samstag auch, deutlich zu machen, dass die gemeinsame Regierungszeit von Schwarz-Gelb mit guter Stimmung begonnen habe: "Um 2.12 Uhr waren die Verhandlungen beendet, seit 2.15 Uhr sagen wir Horst und Guido zueinander."
Auch CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich hochzufrieden mit dem Vertragswerk. "Uns ist ein gutes Kursbuch für die kommenden Jahre gelungen", sagte er vor den Vertretern der Bundespressekonferenz. Er sprach von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Wirtschaftswachstum und sozialer Verantwortung.
Seehofer verwies zudem auf die Pläne für ein Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen. Diese Mütter und Väter sollten ab dem Jahr 2013 entweder 150 Euro in bar oder in Form von Bildungsgutscheinen erhalten. Es werde sichergestellt, dass das Geld auch bei den Kindern ankomme, fügte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hinzu, dessen Partei sich mit einem Parteitagsbeschluss klar gegen das Betreuungsgeld gewandt hatte. Westerwelle griff mit seinem Einwand Befürchtungen vieler Experten auf, wonach das zusätzliche Geld in vielen Fällen womöglich gar nicht den Kindern zugute kommt. Wie das genau verhindert werden soll und in welchen Fällen Gutscheine ausgehändigt werden sollen, dazu äußerten sich die beiden nicht.
Am frühen Nachmittag haben beide Fraktionen den Koalitionsvertrag bereits gebilligt. Bei der Union gab es zwei Enthaltungen, bei der FDP-Fraktion Zustimmung pur.
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Szenen eines Neuanfangs: CDU-Chefin Angela Merkel, FDP-Chef Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer posieren vor den Fotografen und...
...präsentieren sich mal gelöst und freundschaftlich - zwischendurch...
...wirkten sie allerdings auch angespannt.
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