Nach bundesweiter Razzia CDU und Grüne geben AfD Teilschuld an Radikalisierung der »Reichsbürger«

Nach dem vereitelten Staatsstreich der »Reichsbürger«-Szene fordert CDU-Generalsekretär Czaja einen schärferen Blick auch auf die AfD. FDP-Vize Kubicki hingegen empfiehlt einen nüchterneren Blick auf die Umsturzpläne.
Das Reichstagsgebäude in Berlin

Das Reichstagsgebäude in Berlin

Foto: Sean Gallup / Getty Images

25 Festnahmen, ein Umsturzplan: Vergangene Woche hatte die Bundesanwaltschaft bei einer Razzia Mitglieder der »Reichsbürger«-Bewegung festnehmen lassen, darunter frühere Offiziere, Polizisten und eine AfD-Bundestagsabgeordnete . Die Festgenommenen sollen einen Sturm des Bundestags und damit einhergehend den Umsturz des politischen Systems geplant haben. Nun ist im politischen Berlin eine Diskussion über die Gefährlichkeit der Reichsbürger entbrannt – und über die Sicherheit des Parlamentsgebäudes .

Die Ermittlungen haben aus Sicht der Grünen ein Schlaglicht auf ein Milieu geworfen, dessen Gefährlichkeit lange unterschätzt worden sei. Es sei gut, dass die Bundesanwaltschaft hier gehandelt habe, denn es sei schon lange bekannt, dass »das Gewaltpotenzial dieser Szene groß ist«, sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz am Rande einer Sondersitzung des Rechtsausschusses des Bundestags. Der AfD warf er vor, »Reichsbürger« zu verharmlosen. Die »Reichsbürger« sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen.

Der Grünenvorsitzende Omid Nouripour sagte, man müsse nicht nur darauf hinweisen, dass im Zuge der Ermittlungen mit Birgit Malsack-Winkemann eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete nun in Untersuchungshaft genommen wurde, »sondern dass, wenn man sich anschaut, welche Ideologien da zusammenkommen, dann die AfD tatsächlich der parlamentarische Arm derjenigen ist, die diese Republik nicht wollen«. Alarmierend sei, dass unter den Verdächtigen in diesem Fall auch Angehörige der Bundeswehr und Polizisten seien.

Auch die CDU zielt auf die Partei ab: »Wir müssen eben auch die Rolle der AfD und ihr gefährliches Spiel mit der Zusammenarbeit mit den ›Reichsbürgern‹ offenlegen«, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja nach Sitzungen der Spitzengremien seiner Partei in Berlin. Er ergänzte: »Die AfD wird zunehmend zu einem Sammelbecken für radikalisierende Gruppen jeglicher Natur.« Dies sehe man besonders bei der »Reichsbürger«-Bewegung.

Czaja hatte bereits im ZDF-»Morgenmagazin« gefordert, »mindestens« zu überprüfen, ob ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete weiterhin Zugang zum Parlament haben sollten.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch vergangener Woche 25 Menschen festnehmen lassen, darunter frühere Offiziere und Polizeibeamte. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind in Untersuchungshaft. Bei Durchsuchungen wurden auch Waffen sichergestellt. Unter den Festgenommenen bei der Razzia war auch die Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann, eine ehemalige AfD-Parlamentarierin.

Beschwichtigende Worte kommen hingegen von Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki. Es sei zwar so, dass die vergangene Woche ausgehobene Verbindung »eine konkrete Bedrohung für den Rechtsstaat dargestellt hat, aber weit entfernt von einem Putsch oder von einem Staatsstreich«, sagte der FDP-Parteivize Reuters TV in Berlin. Das Parlament sieht er entsprechend nicht bedroht. Für den Deutschen Bundestag gebe es ein »sehr ausgefeiltes Sicherheitskonzept«. Die Wahrscheinlichkeit, von außen in das Reichstagsgebäude illegal einzudringen, sei »äußerst gering«, sagte Kubicki.

Das Sicherheitskonzept des Bundestags werde ständig überprüft, und die Personenkontrollen seien in letzter Zeit »massiv verstärkt worden«, betonte der Parlaments-Vizepräsident. Neben den Besuchern müssten mittlerweile auch ehemalige Abgeordnete durch die Sicherheitsschleuse. »Das heißt, das Mitbringen von Waffen kann nur geschehen durch aktive Abgeordnete«, sagte Kubicki. Mit Blick auf die Parlamentarier der AfD sagte der FDP-Politiker: »Es gibt auf jeden Fall rhetorische Gefahren.« Er wage aber zu bezweifeln, »dass wir aktive Abgeordnete im Deutschen Bundestag haben, die ihrerseits selbst zu Gewalttätigkeiten neigen würden«.

Kubicki betonte überdies: »Wir wollen ein offenes Parlament sein.« Der Bundestag habe jährlich etwa zweieinhalb Millionen Besucher, »und das wollen wir auch so beibehalten. Wir sind Herzkammer der Demokratie. Eine unmittelbare Begegnung mit den Menschen soll transparent möglich bleiben.«

mrc/dpa/Reuters
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