Maßnahme gegen Reichsbürger Wer seinen Pass abgibt, muss zahlen

Sie lehnen den Staat ab, gelten teilweise als rechtsextrem und gewaltbereit: Sogenannte Reichsbürger machen Kommunen das Leben schwer. Thüringen will sich mit einem Verwaltungstrick wehren.

Fünf Euro am Tag, bis zu 1825 Euro im Jahr. Für sogenannte Reichsbürger soll das Leben in Thüringen künftig teurer werden - zumindest wenn sie weiterhin an einem für sie bedeutsamen Verwaltungsakt festhalten wollen: der Abgabe des Personalausweises und Reisepasses bei den Behörden.

Die rot-rot-grüne Landesregierung will den Reichsbürgern die demonstrative Ablehnung der Bundesrepublik nun etwas verleiden. Für die Aufbewahrung der offiziellen Dokumente soll künftig eine Gebühr von fünf Euro pro Tag erhoben werden. Wer nicht freiwillig zahlt, dem droht die Zwangsvollstreckung.

Reichsbürger müssten also Geld an einen Staat zahlen, den sie eigentlich nicht anerkennen. Für sie ist er schlicht nicht existent, weder das Grundgesetz noch seine Institutionen. Zum Beweis ihrer Staatsverachtung händigen sie den Kommunen häufig ihre Papiere aus. Auf diesen Schritt müssten Reichsbürger und Selbstverwalter künftig verzichten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, wegen der Passabgabegebühr belangt zu werden.

Bundesweit haben sich die Anhänger zu einem Problem entwickelt: Jahr für Jahr zählen die Länder mehr Anhänger der Reichsbürgerbewegung - auch weil die Sicherheitsbehörden sie zunehmend in den Fokus nehmen. Rund 19.000 Personen gelten als Reichsbürger. Seit 2016 beobachtet sie der Verfassungsschutz.

Bund und Länder tun sich bisweilen schwer, gegen diese Gruppe vorzugehen. Für die Sicherheitsbehörden ist die Gruppe schwer zu greifen - die Szene ist zersplittert und teilweise bewaffnet.

"Das lassen wir uns nicht mehr bieten"

In Thüringen will sich die Landesregierung nun zumindest den symbolischen Akt der Ausweisabgabe nicht mehr ohne Weiteres gefallen lassen. "Sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter nehmen nur zu gerne die Vorteile unseres Staates in Kauf, aber wenn es darum geht, etwas zu leisten, erkennen sie ihn angeblich nicht an", sagt Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier. Der Verwaltungsaufwand für die Aufbewahrung der Dokumente ginge zu Lasten der Bürger. "Das lassen wir uns nicht bieten."

Georg Maier

Georg Maier

Foto: Carsten Koall/ picture alliance / Carsten Koall/dpa

Die Landesregierung um Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will deshalb in Kürze im Kabinett eine Änderung der Kostenordnung beschließen - und so Reichsbürger und Selbstverwalter von der Abgabe ihrer Dokumente abhalten.

Die Gebühr gilt dabei für alle Personen, also nicht nur Reichsbürger. Doch vor allem auf sie zielt die Regelung ab. Schließlich hat sonst kaum jemand ein Interesse, seine Papiere abzugeben.

Wie viele Personen in Thüringen in der Vergangenheit ihre Ausweisdokumente loswerden wollten, ist nicht bekannt. Das Innenministerium erklärte lediglich, es habe mehrfach Hinweise von den Kommunen erhalten.

Schleswig-Holstein als Vorbild

Bundesweit sollen es 2017 mindestens 250 Reichsbürger gewesen sein. Das ergab eine ARD-Abfrage bei den Ländern. In Deutschland ist jeder Bürger über 16 Jahr verpflichtet, ein gültiges Personaldokument zu besitzen - einen Personalausweis oder einen Reisepass. Wer keinen Ausweis hat, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Es drohen bis zu 3000 Euro Geldbuße.

Doch was bringt die "Reichsbürgergebühr" am Ende?

Thüringens Innenminister ist sich nach eigener Aussage bewusst, dass es sich auch um Symbolpolitik handelt. Er glaube dennoch an eine abschreckende Wirkung, sagte Maier dem SPIEGEL. Denn die jährlich knapp 2000 Euro für einen abgegebenen Ausweis müsse sich ein Reichsbürger erst einmal leisten können. Etwa 900 Personen rechnet der thüringische Verfassungsschutz dieser Gruppe zu. Zehn Prozent gelten als rechtsextrem.

Ob sich Reichsbürger eine Zwangsvollstreckung gefallen lassen würden, ist allerdings eine andere Frage. Sie gelten als unberechenbar und gefährlich. Zwar ist ihnen der Waffenbesitz inzwischen untersagt, doch die Entwaffnung läuft schleppend.

In Schleswig-Holstein ist der Innenminister von der Gebühr jedenfalls überzeugt. Das Land führte bereits 2016 einen entsprechenden Erlass ein, der für Thüringen nun Vorbild ist. "Die Verwahrungsgebühr hat Wirkung gezeigt", sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) im Januar. Die Zahl der Abgabeversuche sei zurückgegangen.

Seit der Einführung gab es bis November 2018 nach Angaben des Ministeriums etwa 40 Abgabeversuche. Als die Personen von der Gebühr erfuhren, nahmen 28 Personen ihre Dokumente demnach wieder mit. Ob es sich dabei nur um Reichsbürger handelte, ist nicht eindeutig zu klären. Doch dieser Schluss ist naheliegend. In einem Fall musste eine Person 655 Euro zahlen - da diese sich weigerte, wurde die Zahlung vollstreckt.

Neben Thüringen prüft seit einigen Monaten auch Sachsen-Anhalt die Einführung einer "Reichsbürgergebühr".

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