Nach Razzia bei Rechtsextremen Weil drängt auf schärfere Beobachtung der »Reichsbürger« durch Verfassungsschutz

Die Festnahme von Heinrich XIII Prinz Reuß bei der Razzia gegen die »Reichsbürger«
Foto: Boris Roessler / dpaVor gut einer Woche haben deutsche Behörden bei einer bundesweiten Razzia mehrere »Reichsbürger« festgenommen. Sie sollen Waffen gehortet und einem Unsturz geplant haben. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil plädiert nun für eine genauere Betrachtung der übrigen Szene durch den Verfassungsschutz.
»Diejenigen, die sich mutmaßlich zu einem Staatsstreich verschworen haben, sind nur ein Teil der ›Reichsbürger‹-Szene. Das ist die Spitze des Eisbergs. Der Resonanzboden ist leider viel größer. Das muss man sehr ernst nehmen«, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dpa in Hannover. »Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsschutz künftig sehr viel stärker auf diesen Bereich von Rechtsextremismus schauen wird. Wir werden überall verstärkt zeigen müssen, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind.«
Auch mit Blick auf Verbindungen der AfD zur »Reichsbürger«-Szene sieht der Regierungschef den Verfassungsschutz in der Verantwortung. »Es gibt personelle Berührungspunkte. Ich kann das nicht quantifizieren. Das wird Aufgabe des Verfassungsschutzes sein, dieses Dunkelfeld aufzuhellen«, sagte Weil. Bei der Razzia war auch die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann festgenommen worden.
»Manche scheinen in der AfD immer noch eine harmlose Protestpartei zu sehen«
Mit der Einschätzung ist Weil nicht allein: Auch der bayerische Innenminister und Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Joachim Herrmann (CSU), mahnt einen genaueren Blick auf die AfD an. »Manche scheinen in der AfD immer noch eine harmlose Protestpartei zu sehen«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es müsse den AfD-Wählern unter anderem die Augen geöffnet werden, »welche radikalen, rassistischen und antisemitischen Kräfte« in der Partei am Werk seien, sagte Herrmann.
Ein Verbot der Partei hält Herrmann jedoch für unrealistisch und verfassungsrechtlich kaum durchsetzbar. »Aktuell müssen sich alle Parteien vor allem politisch mit der AfD auseinandersetzen.«
Hamburg überprüft Waffenerlaubnis bei »Reichsbürgern«
Mit Blick auf die Bedrohung durch »Reichsbürger« hat die Hamburger Innenbehörde die Szene neu durchleuchtet. Insgesamt sechs der Szene zugerechnete Personen hätten eine waffenrechtliche Erlaubnis. Zudem seien den Behörden 14 als rechtsextremistisch eingestufte Personen mit waffenrechtlicher Erlaubnis bekannt sowie eine Person, die dem neuen Extremismusbereich »verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates« zugerechnet werde.
Während die Zahl der sogenannten Reichsbürger in Hamburg, die eine Waffe erwerben und besitzen dürfen, seit Ende Februar um eine Person zurückging, nahm die Zahl der als Rechtsextremisten eingestuften Personen mit waffenrechtlicher Erlaubnis um zwei zu. Ziel der Behörden sei es, »Angehörigen extremistischer Szenen konsequent waffenrechtliche Erlaubnisse zu versagen beziehungsweise diese zu widerrufen«, sagte der Sprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer, der dpa. Dabei stünden die Waffenbehörde, die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts und das Landesamt für Verfassungsschutz in engem Austausch.
»In jedem Fall, in dem es Hinweise darauf gibt, dass Personen einer extremistischen Ausrichtung folgen, erfolgt eine Einzelfallprüfung zur Versagung oder zum Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis«, sagte Schaefer. Seinen Angaben zufolge wurden seit Februar 2020 bei sechs Personen aus dem Phänomenbereich »Rechtsextremismus« waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen. Bei den »Reichsbürgern und Selbstverwaltern« seien es sieben, bei den »Delegitimierern« zwei Personen gewesen.