Rent a Protest Ärzte mieteten Demonstranten

Zyniker werden von moderner Demokratie sprechen: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat nach SPIEGEL-Informationen für Proteste vor dem Reichstag Studenten und Arbeitslose gemietet, die an Stelle echter Mediziner demonstrierten. Die Kassenärzte verteidigen die Aktion als PR-Nummer.

Hamburg - Es war ein beeindruckendes Bild: 200 Menschen ließen am vergangenen Donnerstag vor dem Berliner Reichstag als "lebende Garderobenständer" rund 4500 Arztkittel im Wind flattern. Ein Symbol für die hohe Zahl der Mediziner, die nach der Umsetzung der geplanten Gesundheitsreform ihren Job nach Ansicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KbV) an den Nagel hängen werden.

Nach SPIEGEL-Informationen war die auf diese Weise zur Schau getragene Empörung aber nichts als ein professionell inszeniertes Schauspiel: Rund 170 der 200 Protestierenden waren fachfremde Studenten und Arbeitslose, die für die Aktion über das Internet angeworben wurden. Tagespauschale der Miet-Demonstranten: Rund 30 Euro. Und damit nicht genug. Der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, habe die Aktion, die damit über 5000 Euro kostete, auch noch "total normal" gefunden, berichtet die "Bild". "Das war keine Demonstration, sondern eine reine PR-Aktion", erklärt Stahl gegenüber SPIEGEL ONLINE. Für solche Events Personal zu mieten, sei üblich. "Irgendjemand muss ja die Garderobenständer halten."

In der Großen Koalition machte sich dagegen sofort Empörung bereit: Die stellvertretende SPD-Fraktions- und Parteichefin Elke Ferner erklärte der Zeitung: "Das zeigt die wahre Gesinnung, dass man für sein eigenes Anliegen nicht selbst demonstriert, sondern dafür Berufs-Protestler anheuert."

Allerdings dürften die Koalitions-Mitglieder sich an diesem Wochenende vorwiegend mit anderen Problemen beschäftigen. Denn die Gesundheitsreform scheint wieder einmal auf der Kippe zu stehen. Die Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf wird von einigen Ländern offen in Frage gestellt: Der Bundesrat hatte sich gestern für grundlegende Änderungen an der geplanten Gesundheitsreform ausgesprochen.

Die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen knüpften ihre Zustimmung an eine Offenlegung der finanziellen Auswirkungen auf die Länder sowie zahlreiche Detail-Änderungen. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatte gestern persönlich mit einer Ablehnung der Reform gedroht. Sollten die finanziellen Auswirkungen auf die Länder nicht eindeutig geklärt werden, "wird es keine Zustimmung der CSU weder im Bundestag noch im Bundesrat zu dieser Gesundheitsreform geben", sagte er.

ase/ddp/dpa

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