Drohbriefe zur Ostseepipeline Scharfe Kritik an US-Botschafter Grenell

US-Botschafter Richard Grenell (Archivbild)
Foto: Daniel Bockwoldt/ dpaIm Streit um die Ostseepipeline Nord Stream 2 setzen die USA deutsche Unternehmen immer stärker unter Druck. Nachdem er bereits Ende Dezember mit Sanktionen gedroht hatte, schrieb der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, einen Brandbrief.
Geschrieben am 3. Januar auf Briefbögen der Botschaft, erreichte das Schriftstück gleich mehrere deutsche Firmen, die mit dem North-Stream-Konsortium Finanzierungsabkommen geschlossen haben. Auf zwei eng beschriebenen Seiten, die dem SPIEGEL vorliegen, kommt der Botschafter schnell zur Sache: Gleich im ersten Satz heißt unmissverständlich, dass sich die USA seit langer Zeit dem Projekt mit allen Mitteln widersetzen. Dann behauptet Grenell, der US-Widerstand sei in Osteuropa, aber auch in Kanada weitverbreitet.
Der härteste Satz kommt erst ganz am Ende, nachdem Trumps Gesandter ausführt, der US-Kongress habe ja bereits Sanktionen vorbereitet. "Wir werden nicht müde zu betonen, dass alle Firmen, die sich am russischen Energie-Export über Pipelines beteiligen, von einem signifikanten Sanktionsrisiko betroffen sind." Damit droht Grenell überdeutlich, dass jede deutsche Firma - wie etwa der Investor Uniper oder auch Wintershall - ein erhebliches Risiko eingeht. Im letzten Satz empfiehlt er, jedes Unternehmen solle die Gefahr für sich und seinen Ruf intensiv prüfen.
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Betroffen von Grenells Drohungen sind nicht nur mehrere deutsche Firmen. In Berlin heißt es dieser Tage immer wieder, die Amerikaner würden vor allem zwei Firmen ins Visier nehmen, die derzeit die Pipeline bauen. Damit gemeint sind die Allseas Group mit Sitz in der Schweiz sowie das italienische Unternehmen Saipem aus der Nähe von Mailand. Beide sind Auftragnehmer des Konsortiums und verlegen die Pipeline mit Spezialschiffen.
Nord Stream 2 soll Gas direkt von Russland über die Ostsee nach Deutschland transportieren. Der Bau der 1200 Kilometer langen Trasse hat unter anderem in Deutschland bereits begonnen, obwohl der endgültige Verlauf noch nicht feststeht.
Die USA und die Ukraine, aber auch einige östliche EU-Staaten wie Polen wollen das Projekt stoppen. Sie argumentieren mit der Bedrohung, die von Russland ausgehe. Für die Ukraine und andere osteuropäische Länder sind Transitgebühren für russisches Gas zudem eine wichtige Einnahmequelle.
"Statthalter eines Imperators", "hoher Kommissar"?
Geheim halten wollte Grenell seine unmissverständliche Drohung keinesfalls. Kurz nach dem Versenden des Briefs gab er dem "Handelsblatt" bereits ein Interview mit ganz ähnlichen Sätzen. Schon damals gab sich das Auswärtige Amt (AA) wenig amüsiert. Noch diplomatisch bat Minister Heiko Maas (SPD), Grenell möge sich doch aus einem Wirtschaftsprojekt heraushalten, das die Energiesicherheit in Europa sicherstellen solle.
Dass Grenell auch schriftlich droht, lässt die Diplomaten nun ratlos zurück. Die naheliegende Option wäre, den Botschafter am Montag formell ins Außenamt einzubestellen und gegen seine Drohgebärden zu protestieren. Ob die schärfste Waffe in der Diplomatie allerdings auch bei einem Gesandten wie Grenell etwas bewirkt, bezweifeln nicht nur die engsten Berater von Maas. Er selbst kennt den Amerikaner ganz gut und hat schon erlebt, wie solche diplomatischen Gesten an Grenell abtropfen.
Trotzdem wollen Außen- und Kanzleramt am Montag noch mal beraten, ob und wie man auf Grenell und seine immer neuen Provokationen reagiert. Der eine oder andere rät schon dazu, einfach gar nicht mehr auf die Manöver des Trump-Getreuen einzugehen.
Derweil forderte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Fabio De Masi, die Bundesregierung auf, Grenell einzubestellen. "Der US-Botschafter hat offenbar den Eindruck gewonnen, er sei der Statthalter eines Imperators aus Washington in Deutschland", kritisierte der Bundestagsabgeordnete am Sonntag. Extraterritoriale Sanktionen gegen deutsche Unternehmen seien völkerrechtswidrig.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner fragte, offenbar in Anspielung auf das Besatzungsstatut der Nachkriegsjahre, auf Twitter : "Ob Mister Grenell weiß, dass die Zeit der Hohen Kommissare in Deutschland vorbei ist?"
Für Jürgen Hardt, den außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sind die Drohungen an deutsche Unternehmen "eine neue und unakzeptable einseitige Verschärfung des Tons im transatlantischen Verhältnis". Die Bundesregierung solle dagegen protestieren.
Die Briefe verschickte Grenell nach Recherchen der "Bild am Sonntag" wohl in Abstimmung mit verschiedenen US-Behörden an die Konzerne. Auf Anfrage der Unternehmen, die sich erkundigten, wie sie auf den Brief reagieren sollten, riet das Auswärtige Amt laut "Handelsblatt", nicht zu antworten.
Ein Sprecher Grenells sagte "Bild am Sonntag", der Brief sei nicht als Drohung aufzufassen, "sondern als klare Botschaft der US-Politik". Den Vorwurf der Erpressung wiesen die US-Diplomaten in Berlin zurück: "Das einzige, was man in dieser Situation als Erpressung bezeichnen könnte, wäre der Einfluss des Kreml auf die zukünftige Gasversorgung", sagte der Botschaftssprecher.