Streitgespräch mit CSU-Chef Söder Habeck hält Bundeswehr heute für sinnvoller als im Kalten Krieg

Grünenchef Habeck überrascht in der Wahlkampfdebatte von SPIEGEL, »t-online« und »VICE« mit einem Bekenntnis zur Bundeswehr – und attackiert das Steuerkonzept der Union. Markus Söder warnt vor einer Radikalisierung der Querdenker.
Markus Söder und Robert Habeck

Markus Söder und Robert Habeck

Foto: Marco Urban / DER SPIEGEL

Robert Habeck würde heute nicht ausschließen, zur Bundeswehr zu gehen. Ende der Achtzigerjahre habe er den Wehrdienst verweigert, heute würde ihm dies schwerer fallen. Er habe im Kalten Krieg den Sinn damals nicht gesehen, zur Armee zu gehen.

Aber: »Die Sinnhaftigkeit der Bundeswehr ist heute auch persönlich für mich viel stärker zu sehen«, sagte er im Streitgespräch von SPIEGEL, »t-online« und »VICE« zwischen Habeck und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder.

Das Streitgespräch können Sie hier in voller Länge im Video sehen.

»Die militärische Niederlage in Afghanistan ist eine politische Niederlage«, führte Habeck weiter aus. Die Soldatinnen und Soldaten hätten »im Prinzip alles richtig gemacht«. Die Bundeswehr habe also »gar kein Legitimationsproblem«, so der Grünenvorsitzende. Überdies verteidigte Habeck die Entscheidung der rot-grünen Regierung, im Jahr 2001 die Bundeswehr nach Afghanistan geschickt zu haben.

Sorgen um die »mathematischen Kompetenzen der Unionsfraktion«

»Ich war beim Bund«, sagte Söder zu Habecks Äußerung. Er akzeptiere andere Entscheidungen, habe aber schon damals den Sinn im Wehrdienst gesehen. »Nämlich zu schützen vor einem dominanten Warschauer Pakt, der andere Ziele, andere Werte hatte und Raketen auf unser Land gerichtet hatte«, so Söder. Sowohl Söder als auch Habeck schließen künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr trotz Afghanistan nicht aus. Jedoch müsse genauer hingeschaut werden, welches Ziel ein Einsatz verfolge.

Beim Thema Finanzen attackierte Habeck scharf das Steuerkonzept von CDU und CSU. »Ich mache mir Sorgen um die Union, sie hat offensichtlich das Rechnen verlernt.«

Die Union sage nicht, wie die Entlastungen finanziert werden sollten: »Wo soll das Geld herkommen, wenn die Steuern gesenkt werden und die Union die Schuldenbremse schneller einhalten will?«, fragte Habeck. »Das schlägt dem Fass schon rein logisch den Boden aus.« Deshalb müsse man sich wirklich langsam Sorgen um die »mathematischen Kompetenzen der Unionsfraktion« machen.

CSU-Chef Söder warf dagegen den Grünen vor, mit neuen Schulden die Währung zu schwächen und das Land destabilisieren zu wollen. »Wer nicht aufpasst, kommt auf Dauer in die griechische Spirale, die wir nur schwer im Euroraum stoppen konnten«, sagte Söder. »Uns geht es in erster Linie darum, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu erhalten.« Er mache sich dagegen Sorgen, dass in Deutschland durch eine Vermögens- und eine Erbschaftsteuer viele mittelständische Unternehmen aufgeben müssten.

Drohungen aus der »Querdenker«-Szene

Söder zeigte sich alarmiert wegen Radikalisierungstendenzen unter den Impfgegnern und Coronaleugnern in Deutschland: »Es macht mir Sorgen, dass ein Teil dieser ganzen ›Querdenker‹-Szene nicht nur übers Impfen redet, da geht es um einen anderen Staat, um eine andere Form von Demokratie«, sagte der CSU-Vorsitzende.

Teilweise handele es sich dabei um Leute, »die wir echt vom Verfassungsschutz beobachten lassen müssen«, denn sie verträten ihre Weltsicht ähnlich einer Sekte, sagte Söder. Die Drohungen, die er persönlich erhalte, seien »zum Teil sehr heftig«. Es gebe »irgendwann einen Punkt«, da müssten Querdenker »im Zweifelsfall auch spüren, dass sich ein Staat das nicht gefallen lässt«.

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Duell der Herzen: Robert Habeck vs. Markus Söder

Foto: Marco Urban / DER SPIEGEL

Söder zeigte sich mit der deutschen Coronabilanz insgesamt zufrieden: Deutschland sei viel besser durch die Krise gekommen als andere Staaten. »Manches hätte in der Pandemie besser oder schlechter laufen können, aber das war auch tatsächlich in jeder Beziehung Neuland, da gab's keine Blaupause«, so der CSU-Chef: »Wir haben in dieser extremen Ausnahmesituation unser Land gut beschützt.«

Habeck und Söder streiten in der anderthalbstündigen Sendung auch über die künftige Klimapolitik, den dafür nötigen Aufbau der Infrastruktur sowie eine sozial gerechte Wohnungspolitik. Sowohl Söder als auch Habeck galten als mögliche Anwärter für die Kanzlerkandidatur bei Union und Grünen, unterlagen parteiintern dann aber Armin Laschet und Annalena Baerbock.

til/sef
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