Erfolgreicher Grünen-Politiker aus dem Norden Haha-beck

Die Urwahl zum Spitzenkandidaten der Grünen verlor Robert Habeck extrem knapp - jetzt bekommt er Genugtuung: Sein Erfolg in Schleswig-Holstein macht ihn für die Partei unverzichtbar.
Von Annett Meiritz und Lea Utz
Robert Habeck

Robert Habeck

Foto: Daniel Bockwoldt/ dpa

Nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein musste Grünen-Chef Cem Özdemir seinen Rivalen loben. Ein großartiges Ergebnis sei den Grünen vor Ort gelungen, sagte Özdemir am Montag. Robert Habeck, der als Umweltminister erheblich zum guten Resultat im Norden beitrug, sei "einer der beliebtesten Politiker" im Bundesland.

Özdemir, der sich bei der Grünen-Urwahl nur knapp gegen Habeck durchsetzte, klang professionell, erleichtert sogar. Gute Nachrichten für die Grünen konnte er schon lange nicht mehr kommentieren. Doch Euphorie strahlte er nicht aus.

Klar, Habeck werde auch im Bundestagswahlkampf mit "anpacken", versprach Özdemir. Wie genau, ließ er offen. Es schien, als wolle er nur nicht den Eindruck erwecken, die Bundespartei sei auf einen Lokalstar wie Habeck angewiesen.

Dabei hat Habeck geschafft, woran das Bundesspitzenduo um Özdemir und Katrin Göring-Eckardt bislang scheitert: Menschen begeistern. Während sich die Grünen im Bund am Rande der Wahrnehmungsgrenze bewegen, holte Habeck ein entspannt zweistelliges Ergebnis.

Zwar war Habeck gar nicht offiziell Spitzenkandidat der Grünen in Schleswig-Holstein, Spitzenkandidatin war die 58-jährige Monika Heinold. Doch Habeck ist populär, die Grünen brauchten ihn. Und so zeltete er für Wahlkampfzwecke am Meer, ging auf Lesereise, ließ sich plakatieren. Am Ende nannte die "Süddeutsche Zeitung" Habeck Spitzenkandidat, und niemand protestierte dagegen. Warum auch, es lief doch super.

Nur 75 Stimmen fehlten zum Durchbruch

Die Wahl ist auch eine persönliche Genugtuung für Habeck. Denn eigentlich wollte er mehr, viel mehr bei den Grünen reißen. Habeck hatte sich im Januar in der Urwahl um die Spitzenkandidatur auf Bundesebene beworben. Nur 75 Stimmen fehlten zum Sieg.

Eine Neuauszählung konnte er nicht verlangen, dann hätte er wie ein schlechter Verlierer ausgesehen. Das Angebot dazu hätte höchstens von Özdemir selbst kommen können. Aber der hielt still. Und wurde als Gewinner ausgerufen.

Doch während sich das Spitzenduo vergeblich abstrampelt, zieht plötzlich Habeck alle Aufmerksamkeit auf sich. Er gilt jetzt, neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, als einer der letzten Erfolgsgaranten.

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Und Habeck weiß um seine Wirkung. "Das Lied vom Ende der Grünen ist vorbei", sagte er SPIEGEL ONLINE am Montag. Seine kleine Wahl im Norden definiert er also selbst als prägend für den Rest der Partei.

Schon vor der Wahl waren die Rufe nach mehr Verantwortung Habecks lauter geworden, nun konnte er sein Potenzial konkret beweisen. Seine Möglichkeiten in der Bundespartei sind allerdings ziemlich eingeschränkt:

  • Spitzenkandidat: so gut wie ausgeschlossen. Die Partei verlöre massiv an Glaubwürdigkeit, wenn sie ihre Spitzenkandidaten nach Wetterlage austauschen würde. Cem Özdemir hat ohnehin kein Interesse daran, seinen Platz zu räumen.
  • Schatten-Spitzenkandidat: schwierig. Habeck könnte sich in Debatten einschalten und in Talkshows rumsitzen. Allerdings wird die Partei alles dafür tun, die Aufmerksamkeit auf das Spitzenduo zu lenken. Wie genau Habeck da reinpassen soll, ist unklar. Zwar betont Özdemir immer wieder, Habeck müsse eine "stärkere Rolle" spielen - konkrete Pläne dazu gibt es bislang nicht.
  • Parteichef: vielleicht. Die Grünen wählen im Spätherbst eine neue Parteispitze. Ausgeschlossen hat Habeck eine Kandidatur nicht. Als Notfalloption wäre unter Umständen auch ein Wechsel im Juni möglich. Doch sonderlich attraktiv ist das Amt nicht. Fahren die Grünen im September ein mieses Ergebnis ein, dürfte er eine desorientierte Truppe aufräumen. Landen sie in der Regierung, wäre Habeck als Parteichef eingeklemmt zwischen Fraktion und Ministern, müsste der Basis umstrittene Beschlüsse verklickern.
  • Perspektiven offenhalten: wahrscheinlich. Wer weiß, ob sich nach der Bundestagswahl nicht auch eine Ministeroption in Berlin auftut. Und wenn nicht: Die nächste Bundestagswahl kommt bestimmt. Jung genug für einen zweiten Anlauf als Spitzenkandidat wäre er jedenfalls.

Habeck hält sich zu seinen Plänen bedeckt, für den Moment genießt er seinen Triumph. "Wir haben hier im Land bewiesen, dass wir eine Politik für die Menschen machen, nicht nur für das eigene Milieu", sagte er weiter. Das kann man als kleinen Seitenhieb gegen die Bundesspitze verstehen. Habeck hatte im Urwahlkampf darum geworben, die Grünen für breite Wählerschichten zu öffnen und von Grund auf zu erneuern.

Habecks Anhängerschaft dürfte sich jetzt noch verfestigen. In Nordrhein-Westfalen, wo am Sonntag gewählt wird, kommen Özdemir und Göring-Eckardt zum Wahlkampfendspurt, Kretschmann war schon da.

Wen sich die NRW-Grünen noch explizit wünschten? Habeck. Verzichten will man, trotz Anwesenheit der Bundesprominenz, nicht auf ihn.


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