Grünenchef Habeck zum Konjunkturpaket "Die Regierung hat ihren Kurs komplett geändert"

Robert Habeck vor der Zentrale der Grünen in Berlin
Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpaSPIEGEL: Herr Habeck, die Koalition hat ein 130-Milliarden-Konjunkturpaket geschnürt. Was halten Sie davon?
Habeck: Das Paket ist besser als erwartet. Die Bundesregierung hat gerade noch die Kurve gekriegt und auf eine Kaufprämie für Verbrenner verzichtet. Entscheidend ist jetzt, dass sie ins Machen kommt. Bislang wimmelt es ja nur so von Ankündigungen. Die dürfen nicht in den Mühlen der Koalition zerrieben werden, sondern müssen konsequent umgesetzt werden. Wenn das geschieht, kann das Paket langfristig eine positive Wirkung entfalten.
SPIEGEL: Ihre Kritik, die Regierung müsse mehr Geld in die Hand nehmen, verfängt jetzt jedenfalls nicht mehr.
Habeck: Die Bundesregierung, vor allem die CDU, hat unter dem Druck der Krise ihren Kurs komplett geändert. Jahrelang wurde zulasten der öffentlichen Investitionen gespart. Das ist mit diesem Konjunkturpaket zumindest vorerst überwunden - eine richtige Entscheidung. Diesen Weg muss die Regierung nun aber weitergehen. Es braucht langfristig eine Investitionsgarantie, damit Schulen, öffentliche Infrastruktur, Digitalisierung, die ökologische Modernisierung dauerhaft gestärkt werden. Der Investitionsbedarf, gerade in den Kommunen, ist groß.
SPIEGEL: Viele Forderungen der Grünen, wie das Koppeln der Kfz-Steuer an den CO2-Verbrauch, werden jetzt umgesetzt. Was fehlt Ihnen?
Habeck: Dem Konjunkturpaket fehlt die soziale Komponente. Tontechnikerinnen, Künstlerinnen, Musiker – all die Soloselbstständigen haben nichts davon. Betriebskostenzuschüsse helfen ihnen ja nicht, sie brauchen eine Existenzsicherung, eine Art Kurzarbeitergeld. Auch diejenigen, die in Armut leben, werden nicht bedacht. Die Hartz IV-Sätze müssen angehoben werden, das war schon vor der Coronakrise ersichtlich. Diese Punkte lässt die Große Koalition offen.
SPIEGEL: Die Absenkung der Mehrwertsteuer wird vor allem kleinen Einkommen zugutekommen.
Habeck: Wer jetzt aber, wie eben die Soloselbständigen, von einem Tag auf den anderen sein ganzes Einkommen verliert, weil keine Veranstaltungen mehr stattfinden dürfen, der droht in Hartz IV zu rutschen. Da hilft die Mehrwertsteuersenkung nur wenig.
SPIEGEL: Wenn die Regierung so viel richtig macht, haben Sie ja eigentlich nicht mehr viel zu tun. Müssen Sie Ihre Rolle überdenken?
Habeck: Sie setzen Oppositionsarbeit mit Rumnölen gleich. Im Grunde ist das Paket ein Ergebnis unserer guten Oppositionsarbeit. Die Kritik an falschen Instrumenten wie einer Abwrackprämie war so laut, dass sie am Ende verhindert werden konnte. Das ist eine Bestätigung des Weges, den wir gehen. Wir machen eigene Vorschläge und bringen Union und SPD dazu, sie umzusetzen.
SPIEGEL: Sie freuen sich, dass die Autoprämie nicht kommt – was ist mit ihrem Parteifreund, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann?
Habeck: In der Frage der Kaufprämien für Verbrennungsmotoren waren die Ministerpräsidenten der Autoländer für die Prämie, der Bundeswirtschaftsminister auch, die Parteivorsitzenden oder Fraktionsvorsitzenden, unsere Partei dagegen. Ich finde es richtig, dass Klimaschutz vor regionale Interessen gestellt wurde. Damit werden die drei Ministerpräsidenten leben müssen.