Robert Habeck hat in diesen Tagen eine gewaltige Aufgabe: Er muss das Land für den plötzlichen Lieferstopp von Gas und Öl aus Russland vorbereiten.
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL
»Er dachte, er kommt ins Amt und muss sich jetzt erst mal um Windräder kümmern und Landesfürsten überzeugen, dass sie jetzt mehr Windräder bauen. Und plötzlich ist er ein Teil der Weltpolitik.«
SPIEGEL-Redakteur Gerald Traufetter hat Robert Habeck in seinen ersten Wochen als Wirtschaftsminister begleitet. Er reiste mit ihm nach Warschau, Washington, Katar und Abu Dhabi.
Robert Habeck, Wirtschaftsminister
»Ich bin jetzt hier in Doha am zweiten Tag einer Reise, die irgendwie total merkwürdig ist. In der Ukraine sterben Menschen und hier, seht ihr ja wie die Skyline ist.«
Mit diesem Video beginnt der deutsche Vizekanzler Robert Habeck eine neue Form der politischen Kommunikation: Die Videos, die Robert Habeck über seine Social-Media-Kanäle verbreitet, könnten so oder so ähnlich auch von einem Influencer stammen, der seine Follower auf eine neue Reise mitnehmen will.
Robert Habeck, Wirtschaftsminister
»Ich wollte aber dieses Format einmal nutzen, um ein bisschen mehr Hintergrundinformationen zu geben und darzustellen, wie wir im Moment politisch daran arbeiten, dass Deutschland sich aus dem Würgegriff, dem Klammergriff der fossilen Energieimporte aus Russland befreit.«
Auch seinen ersten Besuch als Minister in den USA kommentiert er via Twitter und YouTube auf den Seiten seines Ministeriums.
Robert Habeck, Wirtschaftsminister
»Das, was eine normale Antrittsreise hätte sein sollen, ist jetzt ein Besuch in den USA mitten in einem Krieg in Europa.«
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL
»Was mich schon überrascht hat, ist eigentlich, wie schnell er in diese neue Rolle geschlüpft ist und wie schnell er eigentlich auch die Situation verstanden hat und sich darauf eingestellt hat, wie man in so einer Situation kommunizieren muss mit den Menschen. Ich habe ihn zum Beispiel nach Warschau begleitet, das war eine Woche oder zwei Wochen vor Kriegsbeginn. Da war natürlich schon die Situation auch sehr ernst und sehr angespannt. Und da war er natürlich irgendwie noch so ein bisschen der alte Habeck. Und mit diesem Flug nach Washington da hat dieser Switch wirklich sehr, sehr schnell funktioniert. Und das hat mich natürlich schon überrascht, wie man dann eben in so eine Rolle hineinfinden kann, auch in welchem Tempo.«
Habecks Kommunikation scheint zu funktionieren.
Laut Deutschlandtrend sind 54 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit zufrieden, bei Außenministerin Annalena Baerbock sind es 53 Prozent. Umfrageverlierer ist Finanzminister Christian Lindner mit 39 Prozent, der im Vormonat noch bei knapp 50 Prozent lag. Die Wahrnehmung vom Kabinett Scholz hat sich mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine verschoben.
Die 16 Regierungsjahre von Angela Merkel waren geprägt von einer eher distanzierten politischen Kommunikation. Habeck macht es anders:
Robert Habeck, Wirtschaftsminister
»Eine politisch sagen wir interessante Region. Was ich immer angesprochen habe, sind die Arbeits- und Menschenrechte, die natürlich ein großes Thema sind. Es gibt nur 300.000 Kataris, 10 Prozent der Bevölkerung, 3 Millionen Menschen leben hier, der Rest arbeitet hier häufig nicht so ganz guten Bedingungen. Früher waren es katastrophale Bedingungen. Ich hatte so ein bisschen Sorge, na, wie ist das wohl, wenn ich das in your face anspreche. Ob ich dann rausgeworfen werde? Aber so war es überhaupt nicht.«
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL
»Es ist ganz geschickt, das so zu adressieren, die Zweifel zu adressieren und damit zu signalisieren: Hey Leute, ich versteh schon, dass ihr das auch jetzt komisch findet. Ehrlich gesagt, ich finde das auch alles sehr komisch und ich hätte es mir auch anders vorgestellt. Aber ich muss jetzt irgendwie das Beste draus machen aus dieser Lage, in die wir da durch den Angriffskrieg von Putin rein gestoßen wurden.«
Als Habeck die Frühwarnstufe des nationalen Notfallplans Gas ausruft, appelliert er auf Instagram:
Robert Habeck, Wirtschaftsminister
»Jede Kilowattstunde, jeder Kubikmeter Gas, der eingespart wird, hilft. Ich weiß, dass es in den Ohren von vielen Menschen, die unter den hohen Energiepreisen jetzt schon leiden, vielleicht unangemessen klingt, wenn ich das so formuliere. Und ich weiß, dass viele Unternehmen ächzen unter den hohen Energiepreisen und bestimmt keine Bitten oder Ermahnungen mehr brauchen, noch Energie einzusparen. Aber andere können vielleicht noch einen Beitrag leisten. Und darum bitte ich.«
Robert Habeck war angetreten, die Klimapolitik voranzutreiben. Jetzt verhandelt er mit Autokraten, ist Waffenhändler und Erdgas-Chefeinkäufer. Ob ihm seine Art zu kommunizieren politisch hilft und ob er sie durchhält, wird sich zeigen.