Rot-Grün in NRW Beamte laufen Sturm gegen Krafts Sparpläne

Proteste der Beamten in Düsseldorf: "Letzte Hemden" für die Landesregierung
Foto: Federico Gambarini/ dpaSeit Wochen geht das nun schon so. Wo Hannelore Kraft öffentlich auftritt, wird sie ausgepfiffen und ausgebuht. "Lügen-Hanni" nennen sie die SPD-Ministerpräsidentin inzwischen, es gibt Videoclips im Internet, in denen sie heftig verspottet wird. Dabei sind es vor allem gesetzte Damen und Herren, es sind Lehrer, Richter und Polizisten, die gegen die Sparpläne der Landesregierung kämpfen. Am Mittwochmorgen spannen sie mehr als einen Kilometer Wäscheleine vor dem Düsseldorfer Landtag auf. Daran hängen sie Hunderte Shirts. Motto: "Wir geben unser letztes Hemd."
Was die Staatsdiener derart in Rage versetzt, ist das neue Beamtenbesoldungsgesetz, das am Nachmittag mit den Stimmen von SPD und Grünen verabschiedet wird. Es sieht vor, dass der Tarifvertrag für die Angestellten im öffentlichen Dienst lediglich gestaffelt für die Beamten übernommen wird. Gerade der höhere Dienst muss sich mit einer Nullrunde abfinden, nur ein Teil der etwa 265.000 Beamten bekommt höhere Bezüge. Auf diese Weise will die rot-grüne Landesregierung in zwei Jahren etwa 710 Millionen Euro weniger ausgeben.
CDU und FDP haben bereits angekündigt, gegen das Gesetz vor dem Landesverfassungsgericht klagen zu wollen. Als "offensichtlich verfassungswidrig" bezeichnen die Vorsitzenden beider Oppositionsfraktionen, Karl-Josef Laumann und Christian Lindner, die Regelung. Zu dieser Einschätzung waren bei einer Sachverständigenanhörung im vergangenen Monat auch zahlreiche Verfassungsrechtler gekommen.
Der Verweis auf die Haushaltslage sei keine ausreichende Legitimation, um eine Beamtengruppe willkürlich von der allgemeinen Einkommensentwicklung abzukoppeln, so der Justitiar der CDU-Landtagsfraktion, Wilhelm Droste. CDU und FDP sehen gleich mehrere Verfassungsgrundsätze verletzt: die Pflicht, Beamten eine angemessene Lebensführung zu gewährleisten, und das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsstufen. Das geplante Gesetz verletze zudem Leistungs- und Gerechtigkeitsprinzipien.
"Für Fehler der Politiker bezahlen"
"Wir sollen mal wieder für die Fehler und Versäumnisse der Politiker bezahlen", schimpft der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus. Dabei bediene sich Rot-Grün "auf populistische Weise der Vorbehalte vieler Menschen, die uns Beamten kritisch gegenüberstehen". Arnold Plickert, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei, beanstandet die Staffelung der Gehaltserhöhungen: "Wer Verantwortung übernimmt, wird bestraft. Das schadet der Polizei."
Dabei könnte der Widerstand von Opposition und Gewerkschaften erst der Anfang des Ungemachs sein. Sollte Kraft ihr stets beteuertes Vorhaben, die Schuldenbremse des Grundgesetzes einhalten zu wollen, tatsächlich wahrmachen, geht es um mehrere Milliarden - und damit dann auch um Tausende Stellen. Denn ein Haushalt, von dem fast 40 Prozent für Personal ausgegeben werden müssen, ist ohne Kredite kaum beherrschbar. Bislang hofft Düsseldorf daher noch - zumindest offiziell - auf Steuererhöhungen einer rot-grünen Bundesregierung, doch diese Variante könnte eine Illusion bleiben.
Interessant wird daher sein, ob sich der anhaltende Unmut der Staatsdiener - insgesamt leben mehr als 400.000 Kommunal-, Landes- und Bundesbeamte in NRW - auch bei der Bundestagswahl im September an den Urnen zeigen wird. CDU und FDP jedenfalls scheinen auf eine solche Reaktion durchaus zu spekulieren. Womöglich könnte sich dann auch der veränderte Regierungsstil der neuen rot-grünen Regierung am Rhein rächen.
Als Hannelore Kraft und die Grünen nämlich noch keine Mehrheit im Landtag hatten, gaben sie sich ganz zahm. Damals schrieb die Sozialdemokratin dem NRW-Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes (DBB) in Sachen Weihnachtsgeld einen freundlichen Brief. "Ich kann Ihnen versichern", so die Ministerpräsidentin im Dezember 2011, "dass die Landesregierung keine weiteren Einschnitte bei der Beamtenschaft plant." Sie wolle zudem an der "engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit" festhalten. Seither ist einiges geschehen.
Am Mittwochnachmittag endet der verbeamtete Widerstand erst einmal mit einem Zug vor die Türen des Düsseldorfer Landtags. Eine kleine DBB-Delegation will in einem symbolischen Akt einem Vertreter der Landesregierung noch "letzte Hemden" übergeben. Die Beamten warten und telefonieren und hoffen, doch auf die Schnelle ist niemand verfügbar. Nach einer Viertelstunde ziehen sie ab. Schluss für heute.