Zoff über Ursula von der Leyen Die Vertrauensfrage

Ruhe nach dem Kompromiss? Von wegen. Berichte über angebliche Tricksereien und Geheimabsprachen im Kampf für die Frauenquote sorgen für neuen Ärger in der Union. Arbeitsministerin von der Leyen steht eine unangenehme Woche bevor - sogar ihr Rücktritt wird gefordert.
Quotenkämpferin von der Leyen: Gegen die "Legendenbildung"

Quotenkämpferin von der Leyen: Gegen die "Legendenbildung"

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Berlin - Nach 24 Stunden ließ Erika Steinbach die Hemmungen fallen. Am Samstag, gegen 21.30 Uhr, hatte die CDU-Bundestagsabgeordnete auf ihrer Facebook-Seite einen Artikel verlinkt, in dem es um angeblich geheime Absprachen zwischen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der Opposition im Kampf für die Frauenquote ging. "Dazu würde mir viel einfallen", notierte Steinbach, versprach aber: "Halte mich zurück." Am Sonntagabend, etwa um die gleiche Zeit, war es mit der Zurückhaltung vorbei. Über Twitter forderte Steinbach: "Rücktritt ist fällig!"

Der Zoff über die Frauenquote hat damit eine neue Eskalationsstufe erreicht. Offen verlangt eine Parteifreundin den Rückzug einer der wichtigsten Ministerinnen aus Angela Merkels Kabinett. Zwar schloss sich bis zum Montagnachmittag niemand dem Ruf Steinbachs öffentlich an. Hinter vorgehaltener Hand aber räumt mancher ein, dass er der stellvertretenden CDU-Chefin keine Träne nachweinen würde. Klar ist: Der in der vergangenen Woche in letzter Minute ausgehandelte Kompromiss, die feste 30-Prozent-Quote für 2020 ins Wahlprogramm zu schreiben, hat die Union nicht befriedet. Stattdessen schwellen Wut und Empörung über die Quotenkämpfer weiter an. Vor allem von der Leyen steht eine unruhige Woche bevor.

Hintergrund sind Berichte vom Wochenende, in denen der Einsatz der Befürworter der festen Quote rekonstruiert wird. Demnach soll von der Leyen sich im Vorfeld der Bundestagsabstimmung vom Donnerstag enger mit Grünen-Fraktionschefin Renate Künast abgesprochen haben als bisher bekannt. Von der Leyens Sprecher widersprach am Montag zwar "energisch" der Darstellung, es habe feste Absprachen mit der Opposition gegeben, um gemeinsam eine gesetzliche Regelung durchzusetzen. Das sei "Legendenbildung". Und tatsächlich ist heute schwer nachvollziehbar, wer wann genau mit wem was verabredet hat. Doch nachdem schon in der vergangenen Woche das böse Wort Erpressung die Runde machte, lassen die Meldungen über mögliche geheime Deals mit der politischen Konkurrenz die Erregungskurve bei vielen nach oben schnellen.

Nachspiel in der Fraktionssitzung

Steinbach kündigte ein Nachspiel für die Fraktionssitzung am Dienstag an. Auch CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach deutet im "Tagesspiegel" an, die Zusammenkunft der Abgeordneten könne "sehr interessant" werden. Im Fraktionsvorstand am Montagnachmittag, so berichten es Teilnehmer, mahnte Fraktionschef Volker Kauder (CDU) vorsichtshalber schon mal zur Ruhe. Eine neuerliche Diskussion bringe niemandem etwas, wird Kauder zitiert.

Allerdings wird sich auch die Fraktionsspitze womöglich noch unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Denn die hätte die offene Konfrontation in der Union wohl verhindern können, wenn der rot-grüne Antrag, den die Quotenfans in der Koalition letzte Woche als Druckmittel einsetzten, den Bundestag erst gar nicht zur Abstimmung erreicht hätte. Diese Verzögerungstaktik hatte sich dem Vernehmen nach auch Kanzlerin Merkel zurechtgelegt.

Dazu hätte die Koalition den Oppositionsantrag im Rechtsausschuss des Bundestags nur versanden lassen müssen. Doch statt weiteren Beratungsbedarf anzumelden, stimmte der Ausschuss Mitte März über die Vorlage ab. Die schwarz-gelbe Mehrheit lehnte ihn ab, womit der Antrag zurück ans Plenum ging. So aber hatten die Quotenbefürworter überhaupt erst die Gelegenheit zur Drohung, gegen die offizielle Koalitionslinie zu stimmen - um so das Bekenntnis zur festen Quote ins Wahlprogramm der Union zu drücken.

"Kein Platz für faule Kompromisse"

Schätzte die Fraktionsführung das Konfliktpotential falsch ein? Wurde man von den Quotenbefürwortern im Rechtsausschuss bewusst ausgetrickst? Die wollen davon nichts wissen. "Der Vorwurf der Trickserei geht fehl", sagt der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz. Dass er und weitere Unionsmitglieder des Rechtsausschusses die Frauenquote anstrebten, sei schließlich "aus früheren Debatten bekannt".

Dennoch ist in der Fraktion nun viel von missbrauchtem Vertrauen die Rede. Mancher Quotengegner stellt schon den gefundenen Kompromiss in Frage. Besonders die CSU hatte sich damit schwergetan, auch wenn Parteichef Horst Seehofer selbst seinen Segen gab. Bei der Klausurtagung am Freitag erwarten ihn nun mehr als skeptische Parteifreunde. "In unserem Wahlprogramm haben Forderungen, die durch Tricks oder faule Kompromisse zustande gekommen sein könnten, keinen Platz", sagt Katrin Albsteiger, die Chefin der Jungen Union in Bayern. Andere wie Verkehrsminister Peter Ramsauer verlangen schon mal Gegenleistungen - etwa die von Merkel ungeliebte Pkw-Maut.

Die Kanzlerin versucht derweil die Wogen zu glätten. Das Vertrauen Merkels in von der Leyen sei "ungebrochen", sagt ihr Regierungssprecher zur Rücktrittsforderung der CDU-Parlamentarierin Steinbach. Merkels Solidaritätsadresse ist sicher ernst gemeint, die CDU-Chefin weiß, wie wichtig von der Leyen bei allem internen Ärger für die Ansprache breiter Wählerschichten ist.

Bei der Opposition und im Internet allerdings sorgt Merkels Rückendeckung für Hohn und Spott. Bis zum politischen Ende von der Leyens könne es nun nicht mehr lange dauern, heißt es in etlichen Twitter-Nachrichten. Schließlich hat Merkel noch jedem Minister, der in dieser Wahlperiode gehen musste, zunächst ihr Vertrauen ausgesprochen.

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