Das Jahr 2015 könnte für deutsche Rüstungsexporte zum Rekordjahr werden: Die bewilligten Ausfuhren im ersten Halbjahr lagen fast so hoch wie im gesamten Vorjahr. Wohin gehen die Güter? Die Datenanalyse.

Airbus-Tankflugzeug bei einer Flugshow in Berlin (Symbolbild)
Foto: © Fabrizio Bensch / Reuters/ REUTERSPolitiker aus der Opposition haben sich drastisch zur Rüstungspolitik der Bundesregierung geäußert. "Die deutschen Waffenexporte sind völlig außer Kontrolle", erklärte der Linken-Abgeordnete Jan van Aken. Agnieszka Brugger von den Grünen warf dem zuständigen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, mehr "Wert auf die Interessen der Rüstungslobby als auf Menschenrechte und Frieden" zu legen.
Zuvor waren neue Angaben zu den Exportgenehmigungen bekannt geworden. Das Jahr 2015 ist demnach auf dem besten Weg, einen neuen Rekord bei den Genehmigungen für Rüstungsexporte aufzustellen. Wie der SPIEGEL auf Basis einer parlamentarischen Anfrage van Akens berichtet, wurden von Januar bis Ende Juni Exporte mit einem Gesamtwert von 6,35 Milliarden Euro genehmigt. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 betrug diese Summe 6,52 Milliarden Euro, im Jahr 2013 lag der Gesamtwert bei 8,34 Milliarden.
Für die Entwicklung gibt es vor allem zwei Ursachen: Einerseits erlaubte das Wirtschaftsministerium den Export von vier Tankflugzeugen nach Großbritannien, zum anderen stieg der Wert der genehmigten Sammelausfuhren stark an. Diese haben in der Regel mehr als ein Empfängerland und sind meist Kooperationen mit Nato-Partnern.
Neben den Gesamtsummen hat das Ministerium auch den Wert der genehmigten Exporte in die arabischen Staaten und Nordafrika veröffentlicht. Mit insgesamt 587 Millionen Euro liegt die Summe für die Region im ersten Halbjahr 2015 mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Dafür sorgen unter anderem Genehmigungen für Algerien, Kuwait und Saudi-Arabien.
Das Wirtschaftsministerium betonte, für Saudi-Arabien seien keine Panzer, G36-Gewehre oder sonstige Kleinwaffen genehmigt worden - sondern Zulieferungen an europäische Partner, etwa Fahrgestelle für unbewaffnete Transporter. Auch bei Algerien seien unbewaffnete Lastkraftwagen und Funkgeräte für den Anstieg verantwortlich. Nach Kuwait habe man die Lieferung von zwölf "Fuchs"-Spürpanzern genehmigt.
Zurückgegangen sind dagegen die Exportgenehmigungen nach Israel - von 617 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2014 auf 391 Millionen Euro in diesem Jahr. Aktuell gehört dazu unter anderem ein U-Boot der "Dolphin"-Klasse. Die interaktive Karte zeigt die Summen für die arabischen Staaten, Israel und Nordafrika. Klicken Sie auf ein Land, um die genauen Werte zu erfahren.
Israel gehört damit zu den Hauptempfängerländern für deutsche Rüstungsexporte im ersten Halbjahr. Nur für das Vereinigte Königreich wurde noch mehr genehmigt, Ausfuhren im Wert von insgesamt 1,15 Milliarden Euro. So wurden vier Tankflugzeuge für eine Lieferung an den EU- und Nato-Partner freigegeben. Diese trügen wesentlich zum Gesamtvolumen und insbesondere zum hohen Anteil der EU-Staaten bei, betonte das Wirtschaftsministerium.
Entscheidend sei die Art der Rüstungsgüter, so das Ministerium, die Bundesregierung betreibe eine "verantwortungsvolle Rüstungspolitik". Die Opposition sieht das anders. Jan van Aken bezeichnete die neuen Zahlen als dramatisch. Daran werde deutlich, "dass diese Regierung genauso hemmungslos Waffen in alle Welt liefert wie ihre Vorgänger".
In den vergangenen zehn Jahren war der Wert der Rüstungsexporte nicht konstant. Für Schwankungen sorgten vor allem Sammelausfuhren, die für internationale Kooperationen oder Gemeinschaftsprogramme genehmigt werden. Der bisherige Rekordwert von 10,8 Milliarden Euro im Jahr 2011 war wohl auch einer Umstellung des Bafa-Computersystems geschuldet. Viele Genehmigungen aus dem Jahr 2010 seien erst im Folgejahr erfasst worden, so die Bundesregierung.
Im vergangenen Jahr betrug der Gesamtwert dieser Sammelausfuhren 2,55 Milliarden Euro. Es handelte sich dabei um 62 einzelne Genehmigungen. Die häufigsten Empfängerländer waren Frankreich, das Vereinigte Königreich und Italien. In diesem Jahr wurden bis Ende Juni bereits 73 Sammelausfuhren im Wert von 3,05 Milliarden Euro genehmigt. In dieser Hinsicht hat 2015 seine beiden Vorjahre also bereits überholt.